Morphium
er wusste seine Aussage ausführlich zu gestalten. Die Morphiummenge, die von der Verstorbenen genommen worden war, wurde auf ungefähr ein Gramm geschätzt. Schon ein Fünftelgramm konnte tödlich sein.
Sir Edwin erhob sich, noch immer verbindlich.
»Ich möchte das ganz klarstellen. Sie fanden im Magen nichts als Brot, Butter, Fischpaste, Tee und Morphium. Es waren keine anderen Nahrungsmittelrückstände vorhanden?«
»Keine.«
»Hat irgendetwas angezeigt, mit welchem Nahrungsmittel ihr das Morphium zugeführt worden war?«
»Ich verstehe nicht ganz.«
»Das Morphium konnte in der Fischpaste oder im Brot oder in der Butter oder im Tee, oder in der Milch, die dem Tee hinzugefügt wurde, gewesen sein?«
»Gewiss.«
»Es wies also nichts darauf hin, dass das Morphium eher in der Fischpaste war als in einem der anderen Nahrungsmittel?«
»Nein.«
»Und tatsächlich hätte das Morphium auch separat genommen worden sein können – das heißt, es hätte einfach in seiner Tablettenform geschluckt werden können?«
»Natürlich.«
Inspektor Brill hatte den Eid mit der gewohnten Routine abgelegt, und leierte nun seine Aussage herunter.
»Ins Haus gerufen… Die Angeklagte sagte: ›Es muss schlechte Fischpaste gewesen sein‹… Durchsuchung an Ort und Stelle… ein ausgewaschenes Glas von der Fischpaste stand auf dem Abtropfbrett in der Anrichte, ein zweites halb voll… weitere Suche in der Anrichte…«
»Was fanden Sie?«
»In einer Bodenritze hinter dem Tisch fand ich ein winziges Stück Papier.«
Das Beweisstück wurde den Geschworenen gereicht.
»Wofür hielten Sie es?«
»Für ein von einem Etikett abgerissenes Fetzchen.«
Der Verteidiger erhob sich ganz gemächlich.
»Sie fanden dieses Stückchen in einer Ritze auf dem Boden?«
»Ja.«
»Fanden Sie den Rest dieses Etiketts?«
»Nein.«
»Sie fanden auch nicht irgendein Glasröhrchen oder Fläschchen, an dem dieses Etikett hätte befestigt sein können?«
»Nein.«
»Wie war der Zustand jenes Stückchens Papier, als Sie es fanden? War es sauber oder schmutzig?«
»Es war ganz frisch.«
»Wie meinen Sie das, ›ganz frisch‹?«
»Es war ein wenig Staub vom Fußboden darauf, aber sonst war es ganz sauber.«
»Es konnte nicht längere Zeit dort gelegen haben?«
»Nein, es muss ganz kürzlich dort hingekommen sein.«
»Sie würden also sagen, dass es erst an dem Tag, da Sie es fanden, hingekommen ist – nicht früher?«
»Ja.«
Mit einem Brummen setzte Sir Edwin sich.
Schwester Hopkins trat als Zeugin vor, mit rotem Gesicht und selbstgerecht dreinschauend.
»Ihr Name ist Jessie Hopkins?«
»Ja.«
»Wo waren Sie am 28. Juni?«
»Ich war in Hunterbury Hall.«
»Sie waren geholt worden?«
»Ja. Mrs Welman hatte einen Schlaganfall gehabt – den zweiten. Ich kam, um Schwester O’Brien zu helfen, bis eine zweite Pflegerin gefunden war.«
»Nahmen Sie ein kleines Köfferchen mit?«
»Ja.«
»Sagen Sie den Geschworenen, was darin war.«
»Verbandszeug, eine Spritze und verschiedene Arzneimittel, unter anderem ein Röhrchen mit Morphium Hydr o chlorid.«
»Wofür war das gedacht?«
»Eine Patientin im Dorf bekam morgens und abends Morphium.«
»Wieviel war in dem Röhrchen?«
»Es waren zwanzig Tabletten, jede zu 0,02 Gramm Morphium.«
»Was taten Sie mit Ihrem Köfferchen?«
»Ich stellte es in der Halle ab.«
»Das war am Abend des 28. Juni. Wann schauten Sie wieder in den Koffer?«
»Am folgenden Morgen, etwa um neun Uhr, als ich mich fertig machte, das Haus zu verlassen.«
»Fehlte etwas?«
»Das Röhrchen mit Morphium fehlte.«
»Erwähnten Sie diesen Verlust irgendjemandem gegenüber?«
»Ich sagte es Schwester O’Brien, der Pflegerin der Patientin.«
»Der Koffer stand in der Halle, wo jeder Zugang zu ihm hatte?«
»Ja.«
Sir Samuel machte eine Pause. Dann sagte er:
»Sie kannten die verstorbene Mary Gerrard gut?«
»Ja.«
»Was für einen Eindruck hatten Sie von ihr?«
»Sie war ein sehr liebes Mädel – ein braves Mädel.«
»Gab es zur Zeit ihres Todes irgendetwas, das sie quälte oder ihr Sorgen machte?«
»Nichts.«
»Sie hätte also keinen Grund gehabt, sich das Leben zu nehmen?«
»Gar keinen Grund.«
So ging es weiter und weiter… Wie Schwester Hopkins Mary zum Pförtnerhaus begleitet hatte, Elinors Erscheinen, ihre offensichtliche Erregung, die Einladung zu belegten Broten, der Teller, der zuerst Mary angeboten wurde. Elinors Vorschlag, alles abzuwaschen und ihr weiterer
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