Morphogenesis
Sumpfwasser füllte. Glücklicherweise war sie nicht so tief, dass es mich überschwemmte. Als die Schmerzen erträglich genug waren, um mich bewegen zu können, kroch ich rückwärts aus dem Tümpel und erlebte die restliche Genesung auf einer breiten Sumpfgrasinsel.
Als ich wieder laufen konnte, riss ich ein paar von den Fetzen ab, in die sich meine Kleidung während des Flugs mit der Nasu verwandelt hatte, und wickelte sie provisorisch um meine Füße. Dann begann ich auf einem schmalen Trampelpfad – höchstwahrscheinlich ein Weg, auf dem Chroner patrouillierten – auf das turmartige Bauwerk zuzulaufen.
Hier, im Zentrum der Duat, herrschte die Nacht, das Böse in seiner ästhetischsten Form. Vereinzelt hörte ich Flüche, Wimmern, Schreien oder kräftiges Plantschen und Würgen, als ob an unzähligen Stellen Menschen ertränken. Da und dort reckte sich ein Kopf oder ein Arm aus dem stinkenden Wasser, und in der Ferne entdeckte ich sogar einen Trupp von Chronern, die auf einem ähnlichen Pfad wie dem meinen angehalten hatten und auf etwas unterhalb der Wasseroberfläche einstachen. Als sie mich entdeckten, schwenkten sie wütend ihre Rebaschen. Ich vernahm herüberwehende Flüche und Drohungen. Zwischen uns lag jedoch bodenloser Sumpf, wobei ich hoffte, dass die beiden Pfade, auf denen die Chroner und ich uns befanden, nicht ein paar Kilometer weiter ineinander mündeten. Gelegentlich blickte ich mich nach den Aufsehern um, doch sie trotteten in die entgegengesetzte Richtung davon.
Etliche Kilometer weit wanderte ich auf das monumentale Bauwerk zu, das die Mitte der Hölle zu markieren schien. Trotzdem hatte ich den Eindruck, mich meinem Ziel keinen Schritt zu nähern, so enorm war die Strecke, die ich noch zu bewältigen hatte. Annähernd dreihundert Kilometer wären es bis zur Axis, hatte die Nasu behauptet. Hatte sie damit auf die Axis mundi angespielt; jene legendäre Weltenachse, um die sich das Firmament dreht?
Ab und zu sah ich einen nackten Körper sich dicht unter der Sumpfoberfläche emporwinden, um einen Blick auf mich zu erhaschen und sofort wieder zu versinken. Einer der schlickverschmierten Köpfe tauchte in meiner unmittelbaren Nähe aus dem Brackwasser auf. Er ging jedoch nicht wieder unter, sondern bewegte sich langsam auf das Ufer zu, ohne mich aus den Augen zu lassen. Unschlüssig, ob der Verdammte nur neugierig war oder etwas im Schilde führte, blieb ich stehen und beobachtete ihn. Möglicherweise hatten die Chroner ihn geschickt, um mich in die stinkende Brühe zu zerren. Wer wusste schon, was er unter Wasser in den Händen hielt – vielleicht einen Dolch, oder einen Strick, um mich zu fesseln? Der Büßer machte jedoch keine Anstalten, mich anzufallen oder auch nur an Land zu klettern. Schweigend blieb er bis zum Hals im Wasser und belauerte mich. Aus seinen Haaren troff übelriechender Schlick und rann zäh über das dickliche, aufgedunsene Gesicht. Er mochte siebzig oder achtzig Jahre alt sein, besaß eine Stirnglatze und hatte den Mund abfällig verzogen.
»Was wollen Sie?«, fragte ich, als er weiterhin tatenlos vor dem Ufer herumschwamm. Sein Gesichtsausdruck wurde lediglich eine Spur grimmiger. Ich riss ein paar Büschel Sumpfgras aus. »Hier, halten Sie sich daran fest«, bot ich ihm an und hielt ihm die Garbe hin, um ihm aus dem Sumpf zu helfen. Er zuckte hoch und schnappte mit den Zähnen nach meinen Fingern wie ein tollwütiger Hund. Ich zog die Grasgarbe zurück. »Was soll das?«, regte ich mich auf. »Warum wollen Sie sich nicht helfen lassen? Bereitet es Ihnen Freude, sich im Dreck zu suhlen?«
»Wer bist du, dass man dich ungehindert durch die Hölle ziehen lässt?«, fuhr mich der Mann an. »Ein Heiliger?« Er sprach Kobe, sein Dialekt ließ jedoch auf eine italienische oder spanische Herkunft schließen.
»Nein. Und Sie? Was haben Sie verbrochen, dass Ihnen die Brühe nun bis zum Halse steht?«
Der Kopf versank für einen Augenblick im Schlick, tauchte wieder auf und spie mir einen Schwall stinkenden braunen Wassers ins Gesicht.
»Warum tun Sie das?«, fragte ich ungerührt.
»Damit du nicht glaubst, ich schwämme in Bouillon!«
»Ich habe Sie etwas gefragt«, beharrte ich.
Der Kopf knurrte wütend. »Sag mir zuerst deinen Namen!«
»Ich heiße Hippolyt.«
Der Kopf brummte etwas Unverständliches, schnaubte durch die Nase und versank wieder bis zu den Augen im Wasser. Es gluckerte vor seinem Gesicht, und ich bereitete mich schon auf einen weiteren Schwall
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