Mortal Kiss
ihn ihr aber nicht ab, sondern starrte nur, wie er sie bei ihrer ersten Begegnung im Einkaufszentrum angestarrt hatte. Und eigentlich auch jedes Mal danach. Das Herz schlug ihr vor Aufregung im Hals und tat ihr zugleich weh. Finns Blick war so herzergreifend traurig! Und das machte die Einsamkeit, die Faye empfand, nur schlimmer. Er hatte sie bisher nicht küssen wollen, und es sah nicht so aus, als würde er das noch versuchen. Er sah sie bloß an, als wollte er sich jede Einzelheit ihres Gesichts ganz tief ins Gedächtnis prägen. Faye spürte, wie etwas in ihr sie zu ihm hinzog, eine Verbindung, die sie nicht allein durchtrennen konnte.
»Nicht « , flüsterte sie. »Bitte .«
»Was denn ?«
»Sieh mich nicht so an. Du guckst immer, als würdest du, ich weiß nicht, als würdest du mehr sehen als bloß mich. Ich kann nicht … «
Finn wandte sich brüsk ab. »Es tut mir leid. Es ist nur … es ist schwierig. Jedes Mal, wenn ich dich anschaue … « Er verstummte und schüttelte den Kopf. »Egal .«
»Nein, ich möchte es wissen. Sag es mir .«
Er schüttelte wieder den Kopf, als suche er nach Worten. »Immer wenn ich dich anschaue, habe ich das Gefühl, das Bild eines Menschen vor mir zu haben, den ich schon sehr, sehr lange nicht mehr gesehen habe « , sagte er so leise, dass Faye sich vorbeugen musste, um ihn zu verstehen. Ihre Köpfe waren ganz nah beieinander, und sein Atem strich ihr beim Sprechen über die Wange. »Aber du bist nicht bloß ein Bild. Du bist wirklich, Faye, du stehst hier vor mir, und doch ähnelst du so sehr … «
Faye merkte, dass sie bei seinen Worten den Atem angehalten hatte. Ihre Münder berührten sich fast, und sie hätte sich seinen Lippen nur etwas nähern müssen … »Wem ?« , flüsterte sie halbherzig, denn eigentlich wäre es ihr lieber gewesen, er würde schweigen und sie endlich küssen.
Finn zögerte. »Jemandem, den ich … gern hatte. Sehr gern. Sie … « Er schwieg erneut, lehnte sich plötzlich zurück und straffte die Schultern. »Entschuldige. Ich wollte nicht … Du solltest reingehen, ins Warme .«
Ehe Faye etwas antworten konnte, legte er den Gang ein und raste mit heulendem Motor durch die stille Nacht davon.
»Warte !« , rief sie ihm nach. »Warte, ich … «
Doch das nützte nichts. Er war bereits verschwunden. Faye sah ihm ein Weilchen nach. Der Adrenalinrausch der Motorradfahrt und ihres angefangenen Gesprächs war plötzlich verpufft und ließ sie erschöpft zurück. Sie zog die Schlüssel aus der Tasche, sperrte die Ladentür auf und fuhr sich beim Eintreten mit der Hand über die müden Augen.
Doch als sie die Tür hinter sich schließen wollte, stieß ein Fuß in den Spalt und drückte sie auf.
KAPITEL 39
Übernachten bei Freunden
E s war Lucas. Er atmete schwer, als wäre er gerannt, und wirkte verängstigt. Faye versuchte, die Tür zuzustoßen, doch er wich keinen Millimeter zurück. Sie war völlig verängstigt, schließlich hatte sie gerade viel über seine Familie und darüber erfahren, wie gefährlich seine Mutter war. Und jetzt war er hier.
»Hau ab !« , fauchte sie und blickte sich verzweifelt nach etwas um, das ihr als Waffe dienen konnte.
»Ich muss mit dir reden !« , flehte Lucas. »Bitte, Faye … lass mich rein .«
»Ich will nicht mit dir reden « , erwiderte sie und versuchte erneut, die Tür zu schließen.
»Faye, nicht … «
Sie kämpften mit der Tür zwischen sich, doch Lucas war viel stärker und drängte Faye so weit zurück, bis der Spalt breit genug war, sich durchzuzwängen. Die Tür krachte hinter ihm zu. Faye wich zurück, um von Lucas Abstand zu gewinnen.
»Raus !« , sagte sie nahezu gelähmt und wünschte sich verzweifelt, ihr Dad wäre da und würde ihr helfen. »Du bist hier unerwünscht. Du … was immer du bist .«
Verwirrung huschte über Lucas’ Gesicht, gefolgt von aufblitzender Wut. »Was soll das heißen ?« , fragte er.
»Ich weiß, was du bist « , entgegnete Faye und gab sich alle Mühe, dass ihre Stimme nicht bebte. »Du und deine teuflische Mutter. Ich weiß, was ihr den Menschen antut. Was ihr getan habt .«
»Was weißt du über meine Mutter? Oder vielleicht sollte ich besser fragen, wie lange du sie schon kennst .«
Nun war es an an Faye, verwirrt zu sein. »Was redest du da ?« Plötzlich merkte sie, wie bleich Lucas war. Er wirkte verschreckt, und seine Hände zitterten ein wenig.
Er zog etwas aus der Tasche und hielt es ihr hin, ein altes, knittriges Foto.
»Das bist du« ,
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