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Morton, Kate

Morton, Kate

Titel: Morton, Kate Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die fernen Stunden
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Pembroke Farm, aber Anfang des zwanzigsten
Jahrhunderts, kurz nachdem Raymond Blythe zum ersten Mal geheiratet hatte und
mit seiner Frau von London hierhergezogen war, hat er ein paar Umbauarbeiten
am Schloss vorgenommen. Es war einer seiner letzten Aufträge, bevor er zu seiner
Kavalierreise auf den Kontinent aufgebrochen ist. Er hat einen runden Teich
anlegen lassen, wie unseren hier, nur größer, und er hat den Schlossgraben
komplett umgestaltet und daraus ein riesiges, ringförmiges Schwimmbad für Mrs.
Blythe gemacht. Sie war eine ausgezeichnete Schwimmerin, heißt es, sehr
sportlich. Dem Wasser hat man eine Chemikalie beigegeben ...« Sie legte einen
Finger an die Wange und runzelte die Stirn. »Gott, wie hieß die noch?« Sie ließ
die Hand sinken und rief: »Bird?«
    »Kupfersulfat«,
antwortete eine geisterhafte männliche Stimme.
    Ich
schaute wieder nach dem Kanarienvogel, der in seinem Käfig nach Körnern suchte,
dann betrachtete ich die Bilder an den Wänden.
    »Ja, ja,
natürlich«, fuhr Mrs. Bird unbeirrt fort. »Kupfersulfat, damit es azurblau
aussah.« Ein Seufzer. »Aber das ist schon lange her. Leider hat man Mr. Sykes'
Schlossgraben schon vor Jahrzehnten aufgefüllt. Der Teich gehört nur noch den
Gänsen, er ist völlig veralgt und verdreckt.« Sie gab mir einen schweren
Messingschlüssel und tätschelte mir die Hand. »Morgen gehen wir zusammen zum
Schloss. Es ist gutes Wetter vorhergesagt, und von der zweiten Brücke aus hat
man eine fantastische Aussicht. Wollen wir uns hier um zehn Uhr treffen?«
    »Du hast
morgen früh einen Termin beim Vikar, Liebling.« Wieder ertönte diese geduldige,
warme Stimme, aber diesmal entdeckte ich, wo sie herkam. Aus einer kleinen,
kaum sichtbaren Tür hinter dem Empfangstresen.
    Mrs. Bird
schürzte die Lippen und dachte über diese rätselhafte Änderung ihrer Pläne
nach. Schließlich nickte sie langsam. »Bird hat recht. Wie schade aber auch.«
    Dann
hellte sich ihre Miene wieder auf.
    »Macht
nichts. Ich lasse Ihnen eine Wegbeschreibung da, sehe zu, dass ich meinen
Termin so schnell wie möglich hinter mich bringe, und dann treffen wir uns am
Schloss. Wir werden nur eine Stunde bleiben. Mehr möchte ich den Damen nicht
zumuten, sie sind schon sehr alt.«
    »Eine
Stunde ist mir recht.« So konnte ich mittags schon wieder unterwegs nach London
sein.
     
    Das Zimmer
war winzig, mit einem Vierpfostenbett, das raumgreifend in der Mitte prangte,
einem schmalen Schreibtisch unter dem Bleiglasfenster und sonst wenig Komfort.
Aber die Aussicht war umwerfend. Das Zimmer befand sich im nach hinten
gelegenen Teil des Hauses, und vom Fenster aus sah man die Wiese, die ich durch
die Hintertür erspäht hatte. Aber vor allem hatte man von hier aus einen
wesentlich besseren Blick auf den Hügel, der sich zum Schloss hin erhob, und
über dem Wald konnte ich so gerade den in den Himmel aufragenden Turm
erkennen.
    Auf dem
Schreibtisch lag eine säuberlich gefaltete karierte Picknickdecke, und daneben
stand ein mit Obst gefüllter Korb. Plötzlich überkam mich Heißhunger. Es war
ein milder Tag, die Umgebung war wunderschön, und so nahm ich mir eine Banane,
klemmte mir die Decke unter den Arm und ging mit meinem neuen Buch, Raymond Blythe in Milderhurst, wieder nach unten.
    Im Hof
duftete es nach Jasmin, dessen weiße Blütenpracht sich über das Dach einer
hölzernen Laube am Rand des Rasens ergoss. Riesige Goldfische schwammen träge
in dem runden Teich und neigten ihre dicken Körper hin und her, um die
Nachmittagssonne zu grüßen. Die Stimmung war himmlisch, aber ich blieb nicht im
Hof, denn eine kleine Baumgruppe lockte mich an, und so stapfte ich durch
hohes Gras und Butterblumen über die Wiese. Es war zwar noch kein Sommer, aber
der Tag war warm, die Luft trocken, und als ich die Bäume erreichte, hatten
sich auf meinem Scheitel Schweißperlen gebildet.
    Ich
breitete die Decke an einer Stelle aus, wo das Sonnenlicht den Boden
sprenkelte, und streifte die Schuhe ab. Irgendwo in der Nähe plätscherte ein
Bach, und Bienensummen lag in der Luft. Die Decke duftete angenehm nach
Waschmittel und zerdrücktem Gras, und als ich mich daraufsetzte, bildeten die
langen Halme einen grünen Paravent um mich herum, sodass ich mich ganz allein
fühlte.
    Ich lehnte Raymond Blythe in Milderhurst gegen meine
aufgestellten Knie und strich mit der Hand über den Buchdeckel. Mehrere
Schwarz-Weiß-Fotos waren so arrangiert, als wären sie jemandem aus der Hand
gefallen und dann

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