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Morton, Kate

Morton, Kate

Titel: Morton, Kate Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die fernen Stunden
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Herz gebrochen, als er sich von seinem
Elternhaus trennen musste. Die Geschichte ist relativ einfach: Ein kleiner
Junge, fasziniert vom Geschwätz über die grandiose Geschichte seiner Familie,
ein verehrter und reicher Onkel, der Versprechungen macht, ein Sinneswandel auf
dem Totenbett.
    »Alte
Häuser und alte Familien gehören zusammen«, fuhr Percy fort. »So war es schon
immer. Meine Vorfahren leben fort im Gemäuer von Schloss Milderhurst, und es
ist meine Pflicht, das Haus zu erhalten. Das ist keine Aufgabe für Außenstehende.«
    Ihr
Tonfall war schneidend und duldete keine Widerrede. »Wahrscheinlich ist es für
Sie, als wären sie alle immer noch um Sie herum ...«, als ich die Worte
aussprach, sah ich plötzlich meine Mutter, wie sie vor dem Puppenhaus kniete,
»... als würden die Mauern singen.«
    Sie hob
eine Braue. »Wie bitte?«
    Mir war
gar nicht bewusst, dass ich laut gesprochen hatte.
    »Das mit
den Mauern«, stieß sie hervor. »Sie haben eben etwas über die Mauern gesagt,
die singen.«
    »Das hat
meine Mutter einmal zu mir gesagt«, ich schluckte demütig. »Sie hat von alten
Mauern gesprochen, die von fernen Stunden singen.«
    Percys
finstere Miene hellte sich unversehens auf. »Das hat mein Vater geschrieben.
Ihre Mutter muss seine Gedichte gelesen haben.«
    Daran
hatte ich allerdings meine Zweifel. Meine Mutter hatte noch nie viel fürs
Lesen übriggehabt und schon gar nicht für Gedichte. »Möglich.«
    »Als wir
klein waren, hat er uns immer Geschichten über die Vergangenheit erzählt. Er
sagte, wenn er mit dem Schloss nicht pfleglich umginge, würden die fernen
Stunden manchmal vergessen, sich zu verbergen.« Während sie in der Erinnerung
schwelgte, hob sie ihre Hand wie das Segel eines Schiffs. Es war eine seltsam
theatralische Geste, die so ganz und gar nicht zu ihrer knappen, effizienten
Art passte. Auch ihre Sprechweise hatte sich geändert: Die kurzen Sätze wurden
länger, der Tonfall war weicher. »Er begegnete ihnen, wenn sie in den dunklen,
verlassenen Fluren herumgeisterten. Stellt euch all die Menschen vor, die in
diesen Mauern gelebt haben, sagte er, die ihre Geheimnisse geflüstert und ihre
Intrigen gesponnen haben ...«
    »Hören Sie
sie auch? Die fernen Stunden?«
    Einen
Moment lang schaute sie mich ernst an. »Dummes Zeug«, sagte sie und setzte ihr
schiefes Lächeln auf. »Das hier ist ein sehr altes Gemäuer, aber es besteht nur
aus Steinen. Sie haben zweifellos eine Menge gesehen, aber sie verstehen es
sehr gut, ihre Geheimnisse zu wahren.«
    Etwas
spiegelte sich in ihrem Gesicht, etwas wie Schmerz: Wahrscheinlich dachte sie an
ihren Vater und ihre Mutter, an den Tunnel der Zeit und an Stimmen, die aus der
Vergangenheit zu ihr sprachen. »Wie auch immer«, sagte sie mehr zu sich
selbst. »Es führt zu nichts, über die Vergangenheit zu grübeln. Wer zu viel
über die Toten nachdenkt, kann sich schnell sehr einsam fühlen.«
    »Sie sind
bestimmt froh, Ihre Schwestern zu haben.«
    »Natürlich.«
    »Ich habe
mir immer vorgestellt, dass es sehr tröstlich sein muss, Geschwister zu haben.«
    Sie
schwieg einen Moment lang. »Haben Sie keine?«
    »Nein«,
erwiderte ich lächelnd und zuckte leichthin die Schultern. »Ich bin ein
einsames Einzelkind.«
    »Ist man
als Einzelkind wirklich einsam?« Sie musterte mich, als wäre ich eine seltene
Spezies. »Das habe ich mich schon immer gefragt.«
    Ich dachte
an das große Abwesende in meinem Leben und dann an die seltenen Nächte, die ich
bei meinen schlafenden, schnarchenden, murmelnden Kusinen verbracht hatte, an
meine schuldbewussten Fantasien, dass ich eine von ihnen wäre, dass ich zu
irgendjemandem gehörte. »Manchmal«, sagte ich. »Manchmal ist man als Einzelkind
sehr einsam.«
    »Aber auch
sehr frei, könnte man annehmen.«
    Zum ersten
Mal fiel mir eine kleine Ader auf, die an ihrem Hals pulsierte. »Frei?«
    »Niemand
kann einen besser an alte Sünden erinnern als eine Schwester.« Sie lächelte
zwar, aber in ihren Augen lag kein Humor. Sie musste es gemerkt haben, denn das
Lächeln verschwand wieder, und sie nickte zum Treppenhaus. »Kommen Sie«, sagte
sie. »Gehen wir wieder nach unten. Seien Sie vorsichtig. Halten Sie sich gut am
Geländer fest. Mein Onkel ist hier auf dieser Treppe gestorben, als er noch ein
Junge war.«
    »O Gott.«
Es kam mir völlig unpassend vor, aber was soll man da sagen? »Wie schrecklich.«
    »An dem
Abend war ein schweres Gewitter aufgezogen, und er hat sich gefürchtet, so hieß
es

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