Morton, Kate
wenn sie sich
nicht im ganzen Haus auch blind zurechtgefunden hätte. Vorsichtig ging sie um
das Sofa herum zum Erkerfenster, zog die Verdunkelungsvorhänge zu und
schaltete die Tischlampe an. Das Licht, das sie verbreitete, war kaum der Rede
wert. Als Percy ein Streichholz herausnahm, um den Docht der Petroleumlampe
anzuzünden, stellte sie überrascht und ärgerlich fest, dass ihre Hand nach der
Begegnung mit Lucy so sehr zitterte, dass es ihr nicht gelang, es anzureißen.
Hinterhältig,
wie sie war, wählte die Uhr auf dem Kaminsims ausgerechnet diesen Augenblick,
um schneller zu ticken. Die Uhr hatte ihrer Mutter gehört, und ihr Vater hatte
sie immer in Ehren gehalten, deshalb war ihr Bleiberecht gesichert. Aber sie
hatte eine Art zu ticken, die Percy um den Verstand brachte, es war, als bereitete
es ihr eine boshafte Freude, die einem Gegenstand aus Porzellan nicht zustand,
die vergehenden Sekunden wegzuwischen. An diesem Nachmittag grenzte Percys
Abneigung an Hass.
»Sei bloß
still, du dämliche Uhr«, sagte Percy. Dann warf sie das unbenutzte Streichholz
in den Papierkorb.
Sie würde
sich einen Whisky einschenken, eine Zigarette drehen, dann, bevor der Regen
kam, nach draußen gehen und Feuerholz holen. Vielleicht würde sie ja auf diese
Weise den Knoten in ihrem Magen los.
6
Trotz der
Aufregung des Tages hatte Saffy den Kopf noch frei genug, um einen Blick in
ihren Kleiderschrank zu werfen und in Gedanken ihre Auswahlmöglichkeiten
durchzugehen, damit sie am Abend nicht das Opfer ihrer eigenen Unentschlossenheit
wurde und gezwungen war, eine Entscheidung zu treffen, die ihr die Not
aufdrängte. In Wahrheit gehörte die Kleiderwahl zu ihren
Lieblingsbeschäftigungen, selbst wenn sie keine Gäste zum Abendessen erwartete:
Sie stellte sich erst ein bestimmtes Kleid vor, die dazu passenden Schuhe und
die entsprechende Halskette, nur um gleich wieder von vorn anzufangen und
sich glückselig die Verwandlungen auszumalen. Heute hatte sie eine Kombination
nach der anderen verworfen, weil keine von ihnen den entscheidenden Kriterien
genügte. Wahrscheinlich hätte sie bei den Kriterien anfangen sollen, aber das
hätte ihre Möglichkeiten von vornherein doch sehr eingeschränkt. Den Sieg trug
jedes Mal das Kleid davon, das am besten zu ihren feinsten Strümpfen passte -
das heißt, zu dem einzigen Paar, dessen sechs verdammte Löcher sich am besten
durch die Wahl der richtigen Schuhe und die Länge des Rocks verbergen ließen.
Also das minzgrüne seidene Liberty-Kleid.
Als Saffy in ihrem ordentlichen
und sauberen Zimmer ihren Trägerrock ablegte und sich mit ihrer Unterwäsche
abmühte, war sie froh, dass sie die schwierigeren Entscheidungen bereits getroffen
hatte. Denn jetzt hatte sie ganz anderes zu tun. Als hätte ihr die
Entschlüsselung dessen, was Junipers Tagebucheintrag bedeutete, nicht schon
genug zugesetzt, wartete inzwischen Percy unten auf sie, und zwar voller Zorn.
Wie immer verbreitete sich ihre Stimmung sofort im ganzen Haus. Der Knall, als
sie die Haustür zugeschlagen hatte, hatte sich durch die Adern des Hauses und
alle vier Stockwerke bis in Saffys Körper übertragen. Selbst die Lampen - die
ohnehin nicht besonders hell leuchteten — schienen zu schmollen, sodass die Nischen
im Schloss noch düsterer wirkten als gewöhnlich. Aus der hintersten Ecke der
obersten Schublade angelte Saffy ihre besten Strümpfe. Sie befanden sich, um
ein Stück Seidenpapier gewickelt, in der Originalverpackung. Saffy zog sie
heraus und fuhr mit dem Daumen zärtlich über die Stelle, wo sie sie zuletzt
gestopft hatte.
Das
Problem war, dachte Saffy, dass Percy unempfänglich war für menschliche Gefühle
und sich viel mehr um die Bedürfnisse der Mauern und Böden von Milderhurst
sorgte als um die der Bewohnerinnen. Sie hatten es beide bedauert, als Lucy
gekündigt hatte, aber es war vor allem Saffy, die das Fehlen der Haushälterin
spürte, wenn sie den ganzen Tag allein im Haus verbrachte, wusch und schrubbte
und notdürftige Menüs kreierte, nur mit Clara und der schwachsinnigen Millie,
die ihr zur Hand gingen. Aber im Gegensatz zu Saffy, für die außer Frage stand,
dass eine Frau, die sich zwischen ihrer Arbeitsstelle und ihrem Herzen
entscheiden musste, immer Letzteres wählen würde, hatte Percy die Veränderung
im Haushalt überhaupt nicht akzeptieren können. Sie hatte Lucys Heirat als
persönliche Kränkung aufgefasst, und wenn jemand nachtragend sein konnte, dann
Percy. Aus diesem Grund waren
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