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Morton, Kate

Morton, Kate

Titel: Morton, Kate Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die fernen Stunden
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Percy vor der Nase wedelte. »Meine
Mädels sind gute kleine Ernährerinnen, sie sind kein Abendessen. Ich lasse
nicht zu, dass du an Bratensoße denkst, wenn du sie ansiehst. Das ist ... das
ist wirklich barbarisch.«
    Eine Menge
Dinge lagen Percy auf der Zunge, aber als sie jetzt in dem düsteren Flur stand,
während der Regen auf der anderen Seite des Gemäuers auf die Erde prasselte und
ihre Zwillingsschwester verlegen von einem Fuß auf den anderen trat - ihr altes
grünes Kleid spannte unschön am Bauch und an den Hüften -, sah Percy all ihre
gemeinsamen Jahre und all die Enttäuschungen vor sich aufgereiht, wie Steine
einer Mauer, gegen die ihre momentane Wut prallte. Sie war der bestimmende
Zwilling, war es immer gewesen, und egal wie wütend Saffy sie machte,
Streitereien brachten die Grundfesten ihres gemeinsamen Universums ins Wanken.
    »Perce?«
Saffys Stimme zitterte immer noch. »Muss ich meine Mädels bewachen?«
    »Du
hättest es mir sagen sollen«, antwortete Percy mit einem ungehaltenen Seufzer
und nahm die Streichhölzer aus ihrer Hosentasche. »Das ist alles. Das mit Lucy
hättest du mir sagen sollen.«
    »Ich
wünschte, du würdest die ganze Sache einfach vergessen, Perce. Um deinetwillen.
Es hat schon Dienstboten gegeben, die ihren Arbeitgebern Schlimmeres angetan
haben als sie zu verlassen. Schließlich hat sie keine silbernen Löffel
gestohlen.«
    »Du
hättest es mir sagen sollen.« Percys Stimme klang weich, und ihre Kehle
schmerzte. Sie fischte ein Streichholz aus der Schachtel.
    »Wenn es
dir so viel ausmacht, werde ich sie nicht mehr herbitten. Sie wird bestimmt
nichts dagegen haben; mir schien, dass sie dir am liebsten aus dem Weg geht.
Ich glaube, du machst ihr Angst.«
    Mit einem
Knacken zerbrach das Streichholz in Percys Fingern.
    »Ach,
Perce, sieh dir das an, du blutest ja.«
    »Es ist
nichts.« Sie wischte sich den Finger an der Hose ab.
    »Nicht an
der Hose, das ist Blut, das kriegt man nicht wieder raus.« Saffy hielt ein
zerknülltes Kleidungsstück hoch, das sie mit heruntergebracht hatte. »Falls du
es noch nicht bemerkt haben solltest, unsere Wäscherinnen haben uns ebenfalls
verlassen, und ich bin die Einzige hier, die wäscht und kocht und putzt.«
    Percy rieb
an dem Blutfleck herum, verteilte ihn jedoch nur.
    Saffy
seufzte. »Lass deine Hose, ich kümmere mich darum. Geh nach oben und mach dich
fein, meine Liebe.«
    »Ja.«
Percy betrachtete immer noch etwas verwundert ihren Finger.
    »Während
du dir ein festliches Kleid anziehst, setze ich den Wasserkessel auf und mache
uns eine Tasse Tee. Oder noch besser: Ich mache uns einen Cocktail, was hältst
du davon? Schließlich haben wir etwas zu feiern.«
    Das fand
Percy reichlich übertrieben, aber ihr Kampfgeist hatte sie verlassen. »Ja«,
sagte sie. »Gute Idee.«
    »Bring
deine Hose mit in die Küche, wenn du fertig bist, dann kann ich sie gleich
einweichen.«
    Percy
ballte ihre Hand zur Faust und löste sie wieder, als sie zur Treppe ging. Dann
blieb sie stehen und drehte sich um.
    »Beinahe
hätte ich's vergessen«, sagte sie und nahm den maschinegeschriebenen Brief aus
ihrem Beutel. »Post für dich.«
     
    7
     
    Saffy
versteckte sich im Anrichtezimmer, um den Brief zu lesen. Sie hatte sofort
gewusst, um was es sich handelte, und es hatte sie allergrößte Mühe gekostet,
ihre Aufregung vor Percy zu verbergen. Sie hatte den Brief an sich gerissen,
dann am Fuß der Treppe Wache gestanden, um sich zu vergewissern, dass ihre
Schwester es sich nicht in letzter Minute anders überlegte und doch noch zum
Holzhacken nach draußen ging. Erst als sie hörte, wie Percys Zimmertür ins
Schloss fiel, hatte sie sich entspannt. Sie hatte schon fast die Hoffnung
aufgegeben, jemals eine Antwort zu bekommen, und jetzt, wo sie sie in der Hand
hielt, wünschte sie beinahe, sie wäre nie eingetroffen. Die gespannte
Erwartung, die Tyrannei des Unbekannten waren beinahe unerträglich.
    Durch die
Küche war sie in das Anrichtezimmer geeilt, wo einst der Furcht erregende
Butler Mr. Broad residiert hatte, von dessen Schreckensherrschaft allerdings
nur noch der Schreibtisch und ein hölzerner Schrank voller alter Kladden mit
seiner akribischen Buchführung zeugten. Saffy zog an der Kordel, mit der sich
die Glühbirne einschalten ließ, und lehnte sich an den Schreibtisch. Ihre
Finger fühlten sich klobig an, als sie sich an dem Umschlag zu schaffen machte.
    Ohne ihren
Brieföffner, der oben auf ihrem Schreibtisch lag, blieb ihr nichts

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