Moser Und Der Tote Vom Tunnel
häufig gestohlen wurden, hat die Direktion in Ludwigshafen verlangt, alle Gegenstände zu kennzeichnen. Jung wollte jedoch nicht sagen, ob dieses Messer tatsächlich aus seiner Kantine stammt. Ob er etwas mit dem Mord zu tun hat, werden unsere weiteren Ermittlungen zeigen. Auf jeden Fall hätte er direkten Zugang zur Tatwaffe gehabt.«
»Der Fund des Messers macht diesen Koch durchaus verdächtig …«, unterbrach Moser, »aber wahrscheinlich hätte so ziemlich jeder in diesem Lager die Möglichkeit, an ein solches Küchenmesser zu gelangen. Wir haben doch durch die geöffnete Tür gesehen, dass die Küchenwerkzeuge in der Baracke frei herumlagen.«
»In der Tat, Herr Kriminalrat«, setzte Sehnert seine Rede fort. »Aber der Fund des Messers ist nicht der einzige Grund, weshalb ich hier bin. Am Freitag ergab sich nämlich bei der Lohnauszahlung der Arbeiter, dass wir einen entscheidenden Schritt weitergekommen sind. Wir hatten beschlossen, sämtliche Arbeiter noch einmal zu vernehmen, wobei uns der Tag der Lohnauszahlung hierfür besonders geeignet erschien, weil der Erfahrung nach dann alle anwesend sind.
Die bei der Explosion verletzten Arbeiter waren bereits vor zwei Wochen alle wieder arbeitsfähig, bis auf einen. Dieser kam erst am Freitag in der Früh aus dem Spital in Dahn und holte sich abends seinen Lohn ab. Er nennt sich Stefan Erdödy und scheint mir eine zwielichtige Gestalt zu sein. Nach seinen Aussagen hatte er sich mit unserem Zoltán Koloman angefreundet. Allerdings konnte oder wollte er uns nichts über dessen wahre Identität sagen. Angeblich hatten sie sich erst in diesem Arbeiterlager kennen gelernt. Erdödy kannte jedoch auch diesen Fremden, der um die Baracke schlich. Er hatte ihn angeblich öfter mit Koloman gesehen und behauptete, dass Koloman den Unbekannten mit ›Anton‹ angesprochen habe. Dieser Anton soll von weither kommen. Aber das alles habe ich Ihnen ja in meinem Brief geschrieben …«
Moser unterbrach ein weiteres Mal: »Wenn der von weither kommt, muss er irgendwo in der Gegend um Pirmasens genächtigt haben. Zumindest brauchte er eine Unterkunft. Es ist doch kaum vorstellbar, dass niemand etwas über diesen Mann weiß …«
»Genau, Herr Kriminalrat, das dachte ich auch«, erwiderte Sehnert, »irgendwo muss dieser Fremde übernachtet und etwas zu sich genommen haben. Immerhin scheint er sich schon über sechs Wochen in unserem Bezirk aufzuhalten. Außerdem muss er ja irgendwie in die Gegend gekommen sein.
Und wir wurden auch fündig. Habe Greiner am Montag zu sämtlichen Bahnstationen in der Gegend geschickt, damit er das Personal befragt, ob dort jemand, auf den die Beschreibung passt, aufgefallen sei. In Hauenstein konnte sich der Stationsvorsteher tatsächlich daran erinnern, dass Mitte Januar ein Mann, der möglicherweise der Gesuchte sein könnte, mit dem letzten Zug angekommen wäre. Der Bahnbeamte erinnerte sich deshalb so gut an den Mann, weil dieser ihn nach einer Unterkunft gefragt hatte. Da die Bahnhofswirtschaft in Hauenstein zu dieser späten Stunde bereits geschlossen war, schickte der Stationsvorsteher den Reisenden, der übrigens kein Gepäck bei sich hatte, in den Ort. Ob und wo er dort wirklich übernachtet hat, konnten wir nicht herausfinden; jedenfalls in keinem offiziellen Beherbergungsbetrieb. Am nächsten Morgen erschien der Fremde wieder auf dem Hauensteiner Bahnhof und erkundigte sich im Telegrafenbüro, ob für ihn ein Telegramm oder eine sonstige Nachricht eingegangen sei. Er gab als Namen ›Anton Tschulnigg‹ an. Auf Grund des ungewöhnlichen Namens konnte sich der Schalterbeamte noch gut an den Mann erinnern. Allerdings hatte dieser Tschulnigg weder ein Telegramm erhalten noch lag eine andere Nachricht für ihn vor. Er tauchte auch nicht mehr auf dem Hauensteiner Bahnhof oder im Ort auf«, schilderte Sehnert seine Ermittlungsergebnisse.
»Hoch interessant, lieber Sehnert. Hoch interessant. Dann sind wir ja ein schönes Stück weiter. Zumindest Anton scheint der richtige Vorname des Gesuchten zu sein. Und einen so merkwürdigen Nachnamen kann man ja kaum erfinden … Lassen Sie uns zum ›Augustiner‹ gehen und ein paar Weißwürste essen. Sie sind sicher von der langen Fahrt ganz hungrig. Es ist ohnehin gleich Mittag«, sagte Moser und griff nach Hut und Mantel.
Beim Augustinerwirt
Moser und Sehnert gingen die kurze Strecke zur Gaststätte ›Augustiner‹ zu Fuß. Mittlerweile hatte zaghaft der Frühling seinen Einzug gehalten,
Weitere Kostenlose Bücher