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Moskito

Moskito

Titel: Moskito Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
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Jedermann zückte seinen Ausweis. Und Cavanaugh konnte sich eines gewissen Gefühles der Irrealität nicht erwehren: standen sie denn nicht alle auf der gleichen Seite?
    Oder?
    Das Hoover Building, möglicherweise das häßlichste Amtsgebäude in Washington, D.C., tat nichts dazu, das Gefühl von Irrealität zu verringern. Seine Begleiter ließen ihn nicht aus den Augen, während Cavanaugh sich ins Besucherbuch eintrug. Als Agent an einer Außenstelle hatte er keinen Passierschein für das Hauptquartier mehr, und den elektronischen Code für die Suite des Direktors hatte er ohnehin nie gekannt. Melanie trug sich nach ihm ein und ließ sich ohne ein Wort des Protestes nach Waffen durchsuchen. Cavanaugh konnte sich nicht entscheiden, ob das nun ein gutes oder ein böses Zeichen war. Ihre Begleiter fuhren mit ihnen im Aufzug zur Suite des Direktors hoch und drückten den elektronischen Code.
    Peter Broylin saß hinter seinem Schreibtisch und sah ihnen entgegen. Dreiundsechzig Jahre alt, schlank, fit und fast kahl, war er der Nachfolger einer Reihe jüngerer und liberalerer Direktoren, die samt und sonders auf irgendeine Weise eine Medienkatastrophe gewesen waren: ›zum Schaden des Hauptquartieres zu sehr auf den Außendienst konzentriert‹, ›zum Schaden des Außendienstes zu sehr auf das Hauptquartier konzentriert‹, ›zu draufgängerisch‹, ›zu zögerlich‹, ›entzieht sich der Presse‹, ›zu pressegeil‹, ›hat das Steuer seines Schiffes nicht fest in der Hand‹, ›das Schiff läßt sich auf Piraterie ein …‹ Broylin vermied die meisten dieser Kritiken, indem er ehrlich war, standhaft und vor allem unsichtbar. Er hielt wenige Reden und gab noch weniger Pressekonferenzen; statt dessen konzentrierte er sich darauf, das FBI über seine Kommandokette zu führen und es gut zu führen. Respektiert von seinen Agenten wie auch von der Öffentlichkeit, vermittelte Broylin die Persönlichkeit eines Stealth-Bombers: leistungsfähig, in allen Details fein abgestimmt und sehr schwer auszumachen.
    »Setzen Sie sich, Agent Cavanaugh. Doktor Anderson.«
    Sie setzten sich.
    Die Sicherheitsleute verließen wie auf ein Stichwort den Raum. Was nicht bedeutete, daß nicht andere mithörten, was hier gesprochen wurde. Das Büro des Direktors hatte sechs Türen, und Cavanaugh bezweifelte, daß sie alle ins Bad führten.
    »Vielen Dank, daß Sie uns empfangen, Sir.«
    Broylins vielgerühmte rationelle Arbeitsweise erstreckte sich auch auf das Nichtverschwenden von Sprechzeit. »Über was für ein Geburtstags-Projekt möchten Sie mit mir reden?«
    Cavanaugh hörte ganz genau das beabsichtigte Weglassen von Anführungszeichen oder Betonung. Broylin ließ sich nicht in die Karten schauen. Cavanaugh hatte etwa zwei Minuten, um seine eigene Glaubwürdigkeit nachzuweisen.
    Plötzlich wurde ihm die Kehle trocken. Bevor er schlucken konnte, sagte Melanie ruhig und bestimmt: »Wir wissen, daß ›Geburtstag‹ ein Biowaffenprojekt ist, das von der CIA finanziert, in Fort Detrick ins Leben gerufen und im Kongo getestet wurde. Und daß einige der mit einem für das Projekt genmanipulierten Plasmodium-Parasiten infizierten Anopheles quadrimaculatus am 2. Mai bei einem Verkehrsunfall auf der Bundesstraße 301 in der Nähe der Brücke über den Potomac entkommen sind. Diese Anophelesmücken begannen …«
    »Ich hatte meine Frage an Agent Cavanaugh gerichtet, Frau Doktor Anderson. Zu gegebener Zeit werden wir auf die Informationen, die Sie haben, zurückkommen.«
    »Aber gern«, sagte Melanie ungerührt. Doch ihre Augen funkelten.
    Cavanaugh sagte: »Was Frau Doktor Anderson erklärt hat, ist völlig richtig, Sir, aber ich möchte lieber dort beginnen, wo ich anfing, persönlich an diesem Fall beteiligt zu sein. Sofern Sie dieses Gespräch nicht ohnehin aufnehmen, würde ich vorschlagen, daß Sie es tun.«
    »Fahren Sie fort«, sagte Broylin emotionslos.
    Während er Schritt für Schritt die ganze Geschichte erzählte, wurde Cavanaugh wieder einmal klar, wie ausgezeichnet alle ihre Teile ineinanderpaßten. Der CIA-Wagen, der den Rehbock anfuhr. Der fehlgeschlagene Versuch, Elefantenmoskitos zu benutzen, um der Seuche unauffällig ein Ende zu bereiten. Die Erfassung von Michael Sean Donohue als glaubwürdigen Scheinverdächtigen, um die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit abzulenken, während USAMRIID und das Zentrum für Seuchenkontrolle der Malaria reading mit konventionellen Eindämmungsmethoden, die kein Mißtrauen erregten, ein Ende

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