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Mottentanz

Mottentanz

Titel: Mottentanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Weingarten
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Wasser ins Waschbecken und die Tür öffnet sich. »Ihr müsst euch nicht verstecken«, ruft die Stimme im Hinausgehen. »Ihr seid nicht die Ersten, die hier zu zweit reingehen. « Dann schließt sich die Tür quietschend.
    Sean schaut auf mich herunter, und ich spüre, wie ich rot werde. Mein Mund ist immer noch warm von seiner Hand. Ich schaue ein letztes Mal auf Ninas Zeichnung auf dem Spiegel und folge den Linien mit dem Zeigefinger, so wie sie es mit ihrem Stift getan hat. Und dann fällt mir etwas auf, das ich bislang nicht gesehen habe. Neben den Spiegel ist ein kleiner Bus gezeichnet, der darauf zuzufahren scheint. Er ist dunkelrot, Nina hat ihn gezeichnet und er trägt die Nummer 257.
    Ich packe Seans Arm. Ich deute auf den Bus und mein plötzliches Begreifen raubt mir den Atem. Unsere Blicke treffen sich. Und dann greife ich nach Seans Hand, oder er nach
meiner, und wir rennen durch das inzwischen beinahe leere Lokal. Durch die Frontscheibe sehen wir den Bus mit der Nummer 257 anfahren. Sean holt seinen Geldbeutel raus, wirft ein paar Zwanzigdollarscheine auf den Tisch und dann taumeln wir gemeinsam in die Nacht hinaus.

Kapitel 14

    Wir rennen los, so schnell unsere Beine es zulassen, und werfen uns ins Auto. Sean fährt aus dem Parkplatz, und wir halten den Atem an, bis wir den Bus eingeholt haben, kurz bevor er auf den Highway biegt. Erst als wir sicher hinter seiner riesigen Stoßstange aus Chrom her fahren, dreht sich Sean zu mir um, wedelt mit einer Hand und sagt: »Siehst du? Ich sagte doch, wir finden einen Hinweis! Ein Hinweis, den ich mir im Übrigen ganz alleine zuschreibe.«
    Und ich grinse. »Danke«, sage ich und lehne mich in meinem Sitz zurück. Ich bin nicht mehr müde. Nicht auf eine Weise wach, als hätte ich ausgeschlafen, sondern als habe mich all das Adrenalin in eine andere Realität verschoben. Ich setze mich wieder gerade hin. »Ehrlich. Vielen Dank. Für alles, für all das hier.«
    »Ach, vergiss es. Ich verfolge schließlich auch meine eigenen Interessen.«
    Mein Gesicht wird heiß. »Ach ja?«
    »Ja«, sagt er. »Meinen Bruder kann ich nicht wieder finden. Wenn ich mit dir auf diese Reise gehe, komme ich mir vor, als würde ich wenigstens irgendetwas tun.«
    Oh.

    »Für alle Geschwister dieser Welt!« Er boxt in die Luft und lächelt, als wolle er seinen Worten den Ernst nehmen, aber das Lächeln erreicht seine Augen nicht.
    Mein Magen verkrampft sich. Ich bin eine Idiotin. Erstens, weil ich doch tatsächlich dachte, er habe gerade mit mir geflirtet, und zweitens, weil ich irgendwie vergessen habe, wie schwierig dies alles für ihn sein muss. Auf die Suche nach meiner Schwester zu gehen, kann nicht einfach sein, wenn die Suche nach dem eigenen Bruder nur zu einem Grab führen kann.
    »Es tut mir so leid«, sage ich. »Es tut mir leid, wenn…«
    »Das muss es nicht.« Sean dreht sich zu mir um. Er streckt den Arm aus und legt seine Hand auf meinen Oberarm. »Es ist schön, dass du so empfindest, aber du musst dich nicht entschuldigen.« Meine Haut wird unter seiner Berührung heiß. »Wir beide sitzen im selben Boot.« Irgendetwas geschieht im Auto, die Energie verändert sich. Ich halte den Atem an. Wir sitzen eine Weile so da, seine Hand immer noch auf meinem Arm, die Finger bewegen sich ganz leicht. Bis er plötzlich die Hand wegnimmt.
    Er räuspert sich. »Sie war voller Überraschungen, was?«
    Ich vermisse seine Hand. Ich will, dass er seine Hand wieder auf die gleiche Stelle legt. Ich rutsche auf dem Sitz hin und her und lege meine eigene Hand auf meinen Arm.
    »Deine Schwester, meine ich. Sie war ziemlich sprunghaft, was?« In seiner Stimme schwingt ein Hauch von Schärfe mit, und plötzlich habe ich den Wunsch, Nina zu verteidigen. Aber das ist natürlich lächerlich. Sean weiß von Nina nur, was ich ihm erzählt habe, und das lässt sie nun wirklich
nicht wie einen besonders zuverlässigen Menschen erscheinen.
    Sean starrt auf den Bus vor uns, dessen Rücklichter sein Gesicht rot erglühen lassen. Ich lehne mich im Sitz zurück und schließe die Augen. Bilder blitzen in meinem Gehirn auf: die rote Tinte auf dem Spiegel, das Jungengesicht, das Herz, gleichzeitig tröstend und schrecklich. Tröstlich, weil es ihr gut ging, weil sie glücklich war. Verliebt. Schrecklich, weil sie uns alle wegen eines Jungen verlassen und nie zurückgeblickt hat. »Ja«, sage ich. »Das stimmt wohl.«
     
    Vielleicht hatte es ja ein Zeichen gegeben und ich hatte es nur nicht

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