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Mount Maroon

Mount Maroon

Titel: Mount Maroon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ethan Bayce
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berichtete Peter, was die alte Dame während seiner Abwesenheit über den Tag des Unfalls erzählt hatte. Die Darstellung deckte sich nahezu vollständig mit Peters vermeintlichen Erinnerungen. Nur gegen Ende gab es eine deutliche und alles entscheidende Diskrepanz.
    - „Ich war gerade an der Stelle, als ein Mann, der oben auf der Straße vorbeifuhr, die Rauchsäule sah“, fuhr Mrs. Elderigde mit ihren Ausführungen fort. „Er hielt kurz an, merkte aber, dass er nichts mehr ausrichten konnte und fuhr deshalb gleich zum nächsten Telefon, von wo aus er die Feuerwehr rief. Als sie eintraf, war alles Brennbare schon den Flammen zum Opfer …“, sie beendete den Satz nicht.
    Sie griff nach dem Taschentuch in ihrer Küchenschürze und hielt es sich vor die Augen. Sichtlich erregt sprach sie fast tonlos weiter.
    - „Entschuldigen Sie. Die drei Leichen waren bis zur Unkenntlichkeit verbrannt.“
    Sie trank einen Schluck und Mason blickte zu Peter herüber. Peter wusste, was er dachte. Man solle das Drama beenden und der Frau ihre Ruhe gönnen. Aber Peter hatte den Eindruck, der Lösung des Rätsels näher zu kommen, auch wenn er keine Ahnung hatte, wie diese aussehen könnte.
    - „Wie haben Sie von dem Unfall erfahren?“
    - „Der kleine Luther Bannister kam herübergelaufen.“ Sie lächelte milde, als sei sie für den Bruchteil einer Sekunde in die heile Welt vor der Katastrophe zurückversetzt: „Luther war der beste Freund von Peter. Sie waren unzertrennlich, haben oft da drüben in der Scheune gespielt. Verzeihen Sie … Also der kleine Bannister kam her und schrie. Sein Vater hatte damals die Tankstelle hier im Ort, eine wahre Informationszentrale. Eigentlich hätte Luther an diesem Tag mit ihnen fahren sollen, aber er hatte irgendetwas angestellt und durfte nicht.“
    - „Was ist aus Luther geworden?“
    - „Er ist hier aufgewachsen, war ein ziemlicher Haudegen und immer hinter den Mädchen her.“ Mrs. Elderidge lachte hell auf, bevor sie weitersprach: „Irgendwann ist er weggegangen, aufs College, aber ich weiß nicht wo. Und jetzt ist Luther Bannister sogar Arzt.“
    Mary Elderidge betonte es besonders, eben so wie es sich gehört, wenn jemand aus ihrem Bekanntenkreis oder überhaupt jemand aus Raleigh etwas Besonderes erreichte.
    - „Aber wir sind ganz vom Thema abgekommen und Sie kennen Luther ja auch gar nicht. Haben Sie noch Fragen zu dem Unfall?“
    - „Die Unfallursache war, soweit wir wissen, ein entgegenkommendes Fahrzeug auf der falschen Seite.“
    - „Ja, es war ein Betrunkener. Sein Wagen war noch fahrtüchtig und er ist einfach weitergefahren. Nach ein paar Kilometern endete auch seine Fahrt an einem Baum. Mehr weiß ich dazu aber nicht.“

19. GESTORBEN UND BEGRABEN
     
    Peter kannte hier jeden Baum, jeden Busch, jeden Stein. Er kannte das alte Pfarrhaus, in dem schon lange niemand mehr wohnte, die First Baptist Church, den Gedenkstein für die Opfer des Civil War. Und er kannte den Weg zum Grab seiner Eltern. Es befand sich auf einem kleinen Hügel, der hell in der Nachmittagssonne lag. Mason folgte Peter durch das offen stehende Eisentor, die Reihen entlang bis zum Ende des Kiesweges und von dort ging es leicht ansteigend nach rechts. Schon aus einigen Metern Entfernung sah Peter die frischen Blumen in der schlichten Friedhofsvase und die ordentliche Bepflanzung. Alles wie gehabt. Das Grab war gepflegt, wie er es all die Jahre über gewohnt war. Nur die kleinen Buchsbäume im hinteren Bereich waren neu und der Grabstein wirkte etwas kleiner, doch es war zweifellos die elterliche Ruhestätte. Und da stand es ja auch:
An dieser Stelle begraben
im Jahre des Herrn 1975
Frank Elias Saunders (*1946)
Charlotte Saunders (*1947)
und …
     
    Peter stockte der Atem. Er zitterte, seine Augen füllten sich stoßartig mit salzigen Tränen.
… Peter Oswald Saunders (*1969)
     
    Mason stand neben ihm. Auch er fühlte sich unwohl. Wo war er hier hineingeraten? Was war mit diesem Mann los, der so überzeugend von seinen Erlebnissen erzählen konnte, die sich im Nachhinein allesamt als bloße Hirngespinste entpuppten? Würde er jetzt endlich einsehen, dass er damit nicht durchkam, würde er jetzt die Wahrheit sagen oder kannte er diese wirklich nicht? Wenn dem so wäre, war sicherlich auch Masons eigene schauspielerische Leistung von gestern Morgen alles andere als hilfreich. War es wirklich richtig, diesen Peter oder wie immer er heißen mochte, glauben zu machen, er sei in einen Unfall verwickelt

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