Mr. Benson
Ledermontur, die ich heute Abend trug, machte mir die Sache viel leichter. Scheiße, ich hatte ja ganz vergessen, wie Mr. Benson mich damals hier hatte warten lassen, nackt bis auf einen Jockstrap, sodass alle diese Männer mich mit ihren Augen verschlingen konnten. Auf diese Weise hatte meine Erziehung angefangen, nur um gleich mit der Nacht meiner härtesten Prüfung fortzufahren. Jetzt war ich voll in Leder. Kein Problem. Türsteher wissen ja nicht, wie jemandes Seelenleben aussieht. Denen ist gleich, was einen herführt. Sie kassieren einfach, und schon ist man drinnen.
Ich fühlte mich jetzt nackter denn je. Damals hatte ich gewusst, dass Mr. Benson kommen würde. Auf irgendwelche Blicke hatte ich gar nicht geachtet. Aber jetzt …
Zuerst war ich auf der Suche nach jemandem, der mich mit nach Hause nehmen, der mich festhalten und mir sagen würde, dass ich auch diese Nacht überstünde. Ich sah mich um – nein, ich starrte jedem einzelnen dieser Männer Löcher in den Bauch. Ich war ein geiles Stück. Ich wusste, dass ich geil war. Mr. Benson hatte es mir gesagt. Vielleicht nähme mich dieser Kerl im Flanellhemd ja mit nach Hause und würde dort Waldhüter spielen. Ich versuchte, den Augen unter diesen dicken Brauen eine Reaktion zu entlocken. Fehlanzeige. War meine Not zu offensichtlich? Erschreckte ich ihn?
Ich versuchte mich zu entspannen. Angel dir einfach einen, dachte ich. Egal wen. Am Billardtisch stand ein gut aussehender Typ, nicht mehr ganz taufrisch, vielleicht 45. Auf das Alter kam es nicht an. Ich wusste ja nicht einmal, wie alt Mr. Benson war! Ich versuchte Blickkontakt herzustellen, aber schon bald zeigte sich, dass der Typ nur Augen für Schwarze hatte.
Ich holte mir noch ein Bier. Jetzt kapitulierte ich allmählich. Ich hatte nicht die Kraft für diese Aufriss-Spielchen. Ich versuchte die schreckliche Angst zu besänftigen, die in mir war – die Angst vorm Alleinsein. Wenn ich auf die Art keinen Meister finde, dachte ich, dann vielleicht wenigstens jemanden, der mir den Arsch stopft.
Mir schwindelte plötzlich vor der ungeheuren Leere dort hinten, zwischen meinen Beinen; eine Leere, die ich nie gekannt hatte, bis Mr. Benson sie mir bewusst machte, und die er für mich ausfüllen musste. Ich ging in den Hinterraum.
Eine Gruppe von Männern strich in dem schummerigen Licht um die Pfeiler, die zeigten, wo es treppab ging – in die Schreckenskammer. Und dieselben Pfosten trugen auch den Sling, die schwarze, frei schwingende Ledermatte, welche von Strahlern so schwach beleuchtet wurde, dass man sie kaum gesehen hätte, wäre es ringsum nicht stockfinster gewesen.
Ich ging zu einem der Balken und lehnte mich an. Ich wartete, wer wohl heute Abend das Spielchen treiben würde.
Es gab noch andere Männer wie mich – Typen, die erobert werden wollten. Mit unterschiedlichen Graden der Offenheit schweiften sie umher und boten sich als Freiwild für jene dar, hinter denen sie sich Aufreißer erhofften.
Ich hatte dieses Spiel nie so ganz begriffen – den Unterschied zwischen allzeit bereitem Warten, bis ein Mr. Benson seinen eigenen Zeitpunkt zum Angriff wählt, und einfach nur Dasein und Warten, wer wohl zum Angriff übergeht. Aber diese Art von Bereitschaft hieß, sich zu erniedrigen. Das erkannte ich an Gesichtern und Verhalten der Männer, die den Sling umkreisten und darauf warteten, dass jemand sie hineinwerfen, dass ihr Verlangen von einem Fremden gestillt würde, ohne Sympathie, Rücksichtnahme oder Stolz. Auch Mr. Benson hatte mir zwar den Stolz genommen, ihn dann aber durch einen neuen Stolz ersetzt – den Stolz, ihm zu gehören.
Jetzt war ich so wie alle anderen: Ich spürte solch brennendes Verlangen, dass jeder, der mir Beachtung schenkte, der Mann für heute Nacht sein würde. Gefühlsverbundenheit war nicht gefragt. Gefragt war der Verzicht auf jeglichen Stolz. Mir dämmerte, dass ich als Objekt hier war, welches nur dann Sinn und Bedeutung erlangen konnte, wenn jemand es attraktiv fand. Es gab nichts Attraktives an mir, außer, ein Mann maß ihm Wert bei. Genau das hatte es für mich ja bedeutet, Sklave zu werden: mich in eine Position zu begeben, in der ein anderer Mann mir Wert verleihen musste. Und jetzt war ich null und nichtig, weil dieser andere mich für wertlos erklärt hatte. Mein Selbstwertgefühl hatte ich aufgegeben. Nun brauchte ich einen Mann, der mir wieder zeigte, dass das Leben einen Sinn besaß. Ich war nicht mehr so anders wie die anderen damals, bei meiner
Weitere Kostenlose Bücher