Mr. Darcy bleibt zum Fruehstueck
man über Fleisch kippt, dann ist das eben so.
»Kann ich wenigstens eine Schürze von Chanel bekommen?«, scherze ich.
Die Tür geht auf, und meine Mutter Iris kommt herein. Sie ist genauso geschockt wie Ann. Da unsere Spezialiät peinliche Familienmomente sind, verläuft unser Wiedersehen so: »Du bist zurück«, sagt Iris, ohne sich auch nur einen Zentimeter auf mich zuzubewegen, und hält ihre Handtasche fest, als könnte ich sie ihr wegreißen.
»Ja«, erwidere ich, ohne vom Sofa aufzustehen.
»Wieso?«, fragt Iris.
»Mom, was für eine Frage ist das denn?«, sagt Ann müde.
»Weil ich meinen Verlobten habe sitzen lassen«, antworte ich und versuche, gelassen zu klingen.
»Nun, du weißt ja, dass wir Shaw-Frauen kein Glück bei Männern haben«, sagt Iris auf ihre typische Art. »Es ist ein Familienfluch.«
Ich seufze. Dann kommt Doug herein. Er trägt ein Tablett mit drei Gläsern Rosé-Champagner.
»Ich dachte, wir sollten Kates überraschende Heimkunft feiern«, sagt er und reicht jeder von uns ein Glas.
»Willst du nichts trinken?«, fragt Ann, aber Doug hat seinen Mantel geholt und küsst sie auf die Wange.
»Wenn ich zurückkomme«, sagt er weise. »Ich denke, ihr drei habt euch viel zu erzählen.« Er drückt Iris beruhigend die Schulter, als er hinausgeht. Es ist eine liebevolle Geste, die mich überrascht.
»Er scheint ein netter Kerl zu sein«, sage ich. »Und das meine ich ernst.«
»Ann hat Glück«, sagt Iris, zieht ihren Mantel aus und setzt sich zwischen Ann und mich aufs Sofa. »Oder sollte ich sagen, Doug hat Glück?«
Wir stoßen an und trinken Champagner. Aufgrund des Schlafmangels und des Jetlags genügen ein paar Schlückchen, und ich bin beschwipst. Ich seufze erleichtert, wieder zu Hause zu sein. Auch wenn wir drei unbeholfen, gestört und melancholisch veranlagt sind, fühlt es sich wie zu Hause an, doch eine sehr wichtige Person fehlt, meine Großmutter.
»Doug kann Glück gebrauchen«, sage ich grinsend. »Wenn er viel Zeit mit unserer Familie verbringen will.«
Wir lachen, und dabei fällt mein Blick auf ein Foto meiner Großmutter, das Jahre vor meiner Geburt aufgenommen wurde. Es ist eines meiner Lieblingsbilder. Sie trägt einen Bleistiftrock und eine taillierte Jacke, und um ihre Schultern liegt eine Nerzstola, sie sieht sehr schick aus.
»Wie alt ist Nana auf diesem Bild?«, frage ich und zeige darauf.
»Ich weiß nicht«, antwortet Ann und runzelt die Stirn.
»Sie war so alt wie du«, sagt Iris bestimmt.
Ich sehe weiter das Foto an. Meine Großmutter ist mit dreiundneunzig gestorben. Als dieses Foto aufgenommen wurde, hatte sie noch dreiundfünfzig Jahre vor sich. Das ist eine lange Zeit, lang genug für Veränderungen. Wer weiß, wie lange ich leben werde, aber ich habe gute Gene. Eine Frau kann in dreiundfünfzig Jahren viel erreichen.
Seit einer Woche bin ich wieder zu Hause. Ich sitze Jennifer an ihrem Schreibtisch gegenüber. Sie hält einen Ausdruck meines Artikels in den Händen.
»›Der Jane-Austen-Hochzeitsratgeber‹, toller Titel«, sagt sie. Ich nicke nur, denke an Griffs missbilligenden Tonfall, und sofort verschlechtert sich meine Stimmung.
»Ich finde ihn toll«, fährt Jennifer mit ihrem typischen schiefen Lächeln, das mehr ein Grinsen ist, fort. »Besonders den Teil mit dem Stallburschen.«
»Danke schön«, antworte ich und hoffe, dass ich durch ihre Zustimmung schneller zu meinem Scheck komme.
»Aber am Ende lautet dein Rat, dass Austen nur funktioniert, wenn man sich in das Objekt der Begierde verliebt.«
»Das stimmt«, antworte ich. Ich werde das Ende auf keinen Fall ändern.
»Du könntest Recht haben. Erinnerst du dich an Tina?«, fragt Jennifer.
Wie könnte ich sie vergessen? Tina ist eine der skrupellosesten Goldgräberinnen, die ich je getroffen habe. Von ihr könnte Tatiana noch was lernen. Ich nicke.
»Sie hat sich Hals über Kopf in einen Automechaniker verliebt und ist mit ihm nach Minnesota gezogen.« Jennifer rümpft die Nase, als rieche sie etwas Verfaultes.
»Gut für sie«, sage ich, obwohl ich nicht zugeben möchte, dass Tina klüger ist als ich.
»Dein Artikel passt also perfekt«, fährt sie fort. »Er wird bestimmt ein großer Erfolg. Aber wie ist die Geschichte für dich ausgegangen? Du willst doch nicht etwa sagen … kein Darcy, kein Knightley für dich?«
»Ich bin noch auf der Suche«, sage ich vage. Jennifer versichert mir, dass ich mein Geld so schnell wie möglich bekomme. Ich stehe auf, um zu
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