Mr. Darcy bleibt zum Fruehstueck
beruhigte mich nicht. Stattdessen fiel mir auf, wie deutlich die Venen an meinen Händen hervortraten und dass meine Handgelenke größer wirkten und meine Haut faltiger. Es heißt ja, dass man als Erstes an den Händen einer Frau Spuren des Alters entdeckt.
»Je früher du aufhörst zu glauben, dein Leben sei ein Jane-Austen-Roman, umso besser«, verkündete Marianne trocken.
Ich riss die Serviette in der Mitte durch und setzte mich auf meine Hände.
»Den älteren Frauen in ihren Büchern geht’s nicht so gut. Für ein Happy End muss man verdammt noch mal einundzwanzig und nicht einundvierzig sein«, fuhr sie mit ihrer Tirade fort. »Du bist nicht Elizabeth Bennet, du bist ihre Mutter. Wenn ich gewusst hätte, dass du diesen Artikel so ernst nimmst, hätte ich nie zugelassen, dass Jennifer ihn dir gibt.«
Aua. Die Schwangerschaftshormone machten sie offensichtlich launisch.
»Ich stimme Marianne zu. Du hast zu viele Romane gelesen und zu viele Filme gesehen, meine Liebe«, säuselte Brandon, als wäre ich ein Kleinkind. »Du bist aufgebracht wegen deiner Großmutter und deiner Arbeitslosigkeit. Es ist normal, dass du durcheinander bist.«
»Du hast eine Midlifecrisis«, fügte Marianne hinzu.
»Ich habe keine Midlifecrisis«, entgegnete ich.
»Das ist ganz klassisch«, widersprach Marianne. »Bloß dass du dir nicht das Sportcabrio wünschst, sondern einen Mann, der es dir kaufen kann. Es ist eine Phase.«
»Und du kannst dein Leben nicht einfach wegwerfen und abhauen«, beharrte Brandon. »Besonders jetzt, deine Familie braucht dich.«
»Ich habe mein Leben nicht weggeworfen«, antwortete ich düster. »Mein Leben hat mich weggeworfen. Und ich rede nicht davon, jetzt wegzugehen. Der Artikel muss erst Ende März fertig sein. Bis dahin …« Ich hielt inne und dachte, dass meine Großmutter schon lange vor dem Frühling sterben würde.
»Du hast dich so lange geweigert zu heiraten«, fuhr Marianne fort. »Wenn du heiraten willst, warum nicht aus Liebe und um glücklich zu sein?«
»Wer sagt denn, dass ich mich nicht in einen reichen Mann verlieben kann?«, fragte ich, aber Marianne rümpfte die Nase.
»Ich sehe dich dann nächste Woche bei deinem Geburtstag«, erwiderte Marianne mit einem gezwungenen Lächeln und stand auf. Sie war offensichtlich wütend.
In dem Versuch, die Stimmung zu lockern, deutete ich auf ihren Bauch.
»Damit?«
»Er kommt erst in zwei Wochen«, erinnerte sie mich. Marianne war ein Kontrollfreak. Kein Kind würde auf die Welt kommen, bevor sie es erlaubte.
9
Titelgewinn
Die Art des einen Menschen mag so gut sein wie die des nächsten, aber wir alle mögen unsere eigene am liebsten.
Überredung
M ein Geburtstag war ein ungewöhnlich heißer Sonntag im Oktober. Ich wachte auf, und eine leichte Brise kam durch das offene Fenster herein, die transparenten, cremefarbenen Gardinen bewegten sich über meinen Zehen.
Es war einer dieser Herbsttage, an denen man aus dem Bett springen und nach draußen gehen möchte, um vor der ersten feuchten Novemberkälte die letzten Strahlen Sonnenlicht aufzusaugen. Ich ging immer mal wieder in das Zimmer meiner Großmutter, um nach ihr zu sehen, bis sie schließlich am späten Nachmittag die Augen aufschlug und mir ihre Hand entgegenstreckte.
»Hallo, Liebes«, sagte sie und lächelte schwach.
»Ich bin heute Abend zum Essen eingeladen«, sagte ich und strich ihr übers Haar. »Du kommst doch klar?«
»Ich bin in Ordnung«, sagte sie. »Hab viel Spaß.«
Als ich mich fürs Abendessen umzog, versuchte ich mich davon zu überzeugen, dass ich nicht erwarten konnte, dass meine Großmutter sich an meinen Geburtstag erinnerte. Das viele Morphium vernebelte ihren Geist.
Als ich in Mariannes Wohnung ankam, stand die Tür einen Spalt offen, und ich ging leise hinein. Marianne und Lucy sahen sich Temperaturkurven an. Ich blickte mich im Zimmer um und entdeckte Frank und Brandon, die Partner von Marianne und Lucy, draußen auf der Terrasse.
»Du musst so erleichtert sein, dass du ohne all das schwanger geworden bist«, sagte Lucy etwas neidisch.
»Es wird klappen«, sagte Marianne aufmunternd.
Ich hustete, aber niemand hörte mich.
»Euer Baby wird wunderbar«, sagte Lucy begeistert.
»Ich habe das Wort ›wunderbar‹ gehört, ihr müsst über mich reden«, scherzte ich. Mir war bewusst, wie hoffnungslos es für eine Vierzigjährige war, die Aufmerksamkeit von einem Baby, selbst von einem ungeborenen, auf sich zu lenken.
»Hey, herzlichen
Weitere Kostenlose Bücher