Mr. Darcy bleibt zum Fruehstueck
musste mit meiner Mutter und Ann Hockey im Fernsehen schauen.
Vor meinem siebten Geburtstag teilte man Ann und mir mit, dass wir mit meiner Großmutter und diesem Fremden in ein Haus umziehen würden, damit meine Mutter mehr Zeit für sich hätte, um über meinen Vater hinwegzukommen. Der Fremde stellte sich als unser Großvater heraus. Anscheinend hatte er meine Großmutter angerufen, nachdem die Scheidung endgültig war, obwohl mir das unlogisch erschien. Es stellte sich heraus, dass er sie immer noch liebte. Sie immer geliebt hatte. Er hatte Fehler gemacht, so sagte er jedenfalls, und er wollte sie wiedergutmachen. Sie kamen wieder zusammen. Und wir gingen mit ihnen.
Mein Großvater, Edward Shaw, war ein kleiner, stämmiger Mann mit einem dicken Bauch, der über seinen Gürtel hing. Er hatte dünne, graue Haare und grüne Augen, seine Nase war gebogen, als wäre sie einmal gebrochen gewesen und nicht richtig geheilt. Aber am besten erinnere ich mich an seine Hände. Er hatte riesige Hände, die aussahen, als wären sie zu groß für ihn. Er konnte einen Apfel auseinanderreißen, und doch waren sie so grazil, dass er mühelos einen Schlips band. Er trug jeden Tag Anzug und Hut, er war so etwas wie ein adretter Gentleman.
Er fuhr einen großen Wagen: ein hellblaues Cadillac-Cabrio mit weißen Ledersitzen und einem passenden, riesigen Lenkrad. Wenn wir abends mit offenem Verdeck nach Hause fuhren, legte ich mich auf die Rückbank und sah zu den Sternen hoch, während vom Band Frank Sinatra lief, »Old Blue Eyes«, wie Großvater ihn nannte.
Edwards Betrieb importierte Fernsehgeräte, Stereoanlagen und später auch Videorekorder. Er war allem Anschein nach ein erfolgreicher Mann: Der Cadillac, das Haus, das Auto, das er meiner Großmutter gekauft hatte, bewiesen Geschäftssinn. Mit neun Jahren hatte ich meinen eigenen Farbfernseher in meinem Zimmer, was bei meinen Freunden Neid und bei meinen anderen Verwandten Entsetzen hervorrief. Ich passte mich dieser neuen Welt rasch an. Edward freute sich besonders, als ich zum ersten Mal nach seiner Hand griff, meine winzige Hand wurde von seiner riesigen verschluckt.
Aber als ich älter wurde, fielen mir Veränderungen auf. Wie zum Beispiel, dass Edward und meine Großmutter getrennte Schlafzimmer hatten. Und dass sie stritten. Manchmal waren sie so laut und wurden so ausfallend, dass ich nach draußen ging und auf dem Rinnstein unserer Auffahrt saß, bis sie fertig waren. Ich erinnere mich kaum daran, worüber sie sich stritten, außer einmal an ihrem Hochzeitstag. Edward hatte meiner Großmutter ein Dutzend langstielige Rosen geschickt. Ich werde ihre Aufregung nie vergessen, als sie den langen, rosa Karton von dem Boten entgegennahm. Sie schnitt das Band auf und griff in das rosa Seidenpapier. Die aufgeregte Vorfreude wich einem schockierten Gesichtsausdruck, sie wurde rot. Im Karton lagen ein Dutzend rote Seidenrosen. Meine Großmutter hatte keine künstlichen Rosen erwartet. Sie schien verlegen. Mein Großvater fand es toll, sie würden ewig halten. Für meine Großmutter waren künstliche Blumen eine Beleidigung.
»Na, vielen Dank«, sagte sie, ihre Stimme zitterte, sie wirkte verletzt und enttäuscht.
»Ich dachte, sie würden dir gefallen, Alice«, sagte Edward, beleidigt, dass seine künstlichen Rosen kein Erfolg waren. Dann führte er sie in ein sehr elegantes Restaurant.
Das teure Essen hob die Stimmung an diesem Abend, aber sie stritten weiter, und es wurde jedes Jahr schlimmer, bis zwei Wochen vor meinem fünfzehnten Geburtstag mein Großvater einen Herzinfarkt erlitt und starb. Er war zweiundsiebzig.
Ungefähr einen Monat nach der Beerdigung erzählte meine Großmutter es mir. Vielleicht hätte sie es unterlassen, wenn ich nicht eine einfache Frage gestellt hätte.
»Vermisst du ihn?«
Sie machte eine lange Pause, bevor sie antwortete.
»Ich vermisse ihn«, sagte sie schließlich, »aber nicht so sehr, wie ich sollte.«
Ihre Worte erschienen mir grausam. Er hatte sich gut um uns gekümmert, und er hatte sie geliebt, das sagte ich ihr auch.
»Ich bin nicht aus Liebe wieder mit Edward zusammengekommen«, gab sie zu, meine Reaktion interessierte sie nicht, wenn sie ihr überhaupt auffiel. »Ich hatte im Leben nie viel Geld. Ich hatte einfach keine Lust mehr, immer nur so durchzukommen. Du hast keine Ahnung, wie schwierig es war, Iris allein großzuziehen. Wir hatten nie Geld für irgendetwas. Als Edward nach der Scheidung anrief und mir sagte, wie gut
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