Mr Monk und die Feuerwehr
dauerte es nur noch gut zwei Minuten, und dort angekommen, begleitete er mich bis zur Tür. Ich wollte einem peinlichen Moment zuvorkommen und ergriff die Initiative, indem ich ihm einen freundschaftlichen Kuss auf den Mund gab.
»Es war ein schöner Abend«, sagte ich. »Ein wirklich schöner Abend.«
»Das fand ich auch«, erwiderte Joe. »Ich hoffe, wir können das bald wiederholen.«
Ich hatte nicht vor, ihn zappeln zu lassen. Und mich ebenfalls nicht. »Wann hast du wieder dienstfrei?«
Er lächelte mich strahlend an. »Mittwoch.«
»Dann sehen wir uns Mittwoch. Gleiche Zeit?«
»Gleiche Zeit.« Nun gab er mir einen Kuss, der noch etwas freundschaftlicher war als der, den er von mir bekommen hatte.
Ich schloss auf und ging ins Haus, wo ich nach zwei Schritten wie erstarrt stehen blieb. Irgendetwas stimmte hier nicht. Das hier war zwar mein Haus, und das waren auch meine Sachen, aber trotzdem stimmte etwas nicht. Etwas war … anders. Seltsam. So als wäre ich in ein Paralleluniversum geraten. Als sei das nicht mein Haus, sondern ein detailgetreuer Nachbau, wie eine Kulisse für einen Film.
Wieder sah ich mich um. Was gab mir bloß dieses Gefühl, in eine andere Dimension geraten zu sein?
Da kam Monk aus der Küche. »Hatten Sie einen schönen Abend?«
»Er ist ein sehr netter Mann«, antwortete ich.
Ich erzählte ihm die Geschichte von der Wache und dem Zugräuber, natürlich auch von Joes Ansicht, Gregorio Dumas habe gelogen. Monk dachte einen Moment lang darüber nach und bewegte den Kopf hin und her, als habe er einen steifen Nacken.
»Wie ist es mit Julie gelaufen?«
»Wir haben eine Zeit lang mit den Legosteinen gearbeitet.« Er deutete zur Küche, und als ich an ihm vorbeischaute, entdeckte ich auf dem Tisch eine riesige, kunstvolle Legoburg mit Zugbrücke, Türmen und einem Wassergraben. Ich hätte bestimmt ein Jahr gebraucht, um das zu bauen.
»Sie hat ein Händchen dafür«, sagte er stolz.
»Wirklich?«
»Mit dem richtigen Training und viel Übung könnte sie ein Legomeister werden.«
»So wie Sie.«
»Ich gebe nicht gern damit an.«
»Und was haben Sie den Rest des Abends gemacht?«, fragte ich. Noch immer fühlte ich mich in meinen eigenen vier Wänden fremd.
Beiläufig entgegnete Monk: »Ich habe ein bisschen aufgeräumt.«
Das war es also.
Abermals sah ich mich um, und diesmal erkannte ich, was bis dahin nur mein Unterbewusstsein wahrgenommen hatte. Monk hatte genau das getan, was er gesagt hatte: Er hatte aufgeräumt! Er musste mit einem Winkelmesser und einer Wasserwaage ans Werk gegangen sein. Alle meine Sachen waren noch da, aber jedes Teil war jetzt gerade ausgerichtet. Die Möbel waren verrückt worden, damit die einzelnen Stücke zueinander einen gleichen Abstand hatten. Die Bilder an den Wänden hingen nun so, dass die Zwischenräume gleich groß waren. Alle Erinnerungsstücke und gerahmten Fotos auf den Tischen und in den Regalen standen nach Größe und Form gruppiert da, natürlich alle im gleichen Abstand zueinander. Die Magazine waren nach Titel sortiert und chronologisch gestapelt, die Bücher hatte er alphabetisch und nach ihrer Größe sortiert, womöglich auch noch nach ihrem Erscheinungsdatum.
Das Wohnzimmer – und sicherlich auch der Rest des Hauses – war sauber, aufgeräumt, und es wirkte völlig steril. Es sah aus wie ein Zimmer in einem Möbelhaus. Ich hasste es.
»Mr Monk, hier ist alles ausgerichtet, geordnet und perfekt organisiert.«
»Danke.« Er strahlte vor Stolz über meine Bemerkung, was mich nur noch wütender machte.
»Das war keine gute Idee. Sehen Sie das denn nicht? Sie haben meinem Haus alle Persönlichkeit und jeglichen Charme genommen!«
»Es ist noch alles da«, sagte Monk. »Außer Schmutz, Staub und einem halben Käsesandwich, das ich unter der Couch gefunden habe.«
»Aber hier herrscht kein Durcheinander mehr«, gab ich zurück. »Es sieht aus, als würden in diesem Haus Roboter leben.«
»Und das ist schlecht?«
»Hier leben Menschen, Mr Monk. Acht Jahre Ehe, zwölf Jahre mit meiner Tochter, all das hinterlässt Spuren. Ich mag diese Spuren, sie geben mir Trost. Ich mag das Durcheinander der Fotos im Regal, das Buch, das aufgeschlagen auf der Sessellehne liegt, ja, sogar das vergessene Sandwich. Das alles sind Zeichen von Leben. Das ist Leben.«
»Es ist nicht mein Leben«, sagte er nur.
Diese wenigen Worte vermittelten eine unendliche Traurigkeit, die mich einen Moment lang meine Frustration vergessen ließ, um
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