Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mr Monster

Mr Monster

Titel: Mr Monster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Wells
Vom Netzwerk:
Miene nicht erkennen, doch die Augen waren dunkel und schmal, und ringsherum sah ich Falten. Sie machte sich Sorgen.
    »Alles klar.« Ich nahm das Desinfektionsspray in die Hand und machte mich wieder an die Arbeit. »Ich bin nur müde.«
    »Du bist doch gerade erst aufgewacht.«
    »Ich bin immer noch beim Aufwachen. Etwas benommen, aber sonst geht’s mir gut.«
    »Na schön.« Mom wusch der Toten die Haare.
    Leider ging es mir überhaupt nicht gut. Bei allem, was ich sah, stellte ich mir vor, ich täte es selbst und brächte einem Menschen alle jene Wunden bei, die ich hier entdeckte. Dies war nicht das sanfte Ende einer alten Frau gewesen, die im Schlaf gestorben war, sondern ein brutaler, gewaltsamer Tod – eine Serie unmenschlicher Qualen und Erniedrigungen. Das beschwichtigte Mr. Monster keineswegs. Es erregte ihn sogar. Er war ein Hai, der Blut im Wasser roch. Ein Tiger, der frisches Fleisch witterte.
    Ich war ein Killer, der ein Ziel erahnte – nicht das Opfer, sondern das Wesen, welches das Opfer angegriffen hatte. Ich war ein Mörder, der andere Killer umbrachte, und wenn sich ein neuer in der Stadt aufhielt, dann war es an der Zeit zu töten.
    Im Behandlungsraum hielt ich es nicht mehr aus. Ruckartig stellte ich das Desinfektionsspray weg, fester, als ich es beabsichtigt hatte, und ging ins Bad, wo ich mir die Handschuhe auszog und sie in den Müll warf. Ich drehte das kalte Wasser auf und schaufelte mir mit beiden Händen Wasser ins Gesicht, schluckte, wischte mich am Ärmel trocken, hielt inne. Dann trank ich nochmals.
    Ich wollte diese Gedanken nicht denken. Ich bin kein Killer, dachte ich. Mr. Monster ist der Mörder. Ich bin derjenige, der ihn im Zaum hält. Ich hatte Angst.
    Doch ich musste wieder hinein und alles in Erfahrung bringen, was die Leiche mir zu sagen hatte, denn damit erführe ich etwas über denjenigen, der die Frau getötet hatte. Warum musste ich das unbedingt wissen? Agent Formans Worte fielen mir ein: Du bist kein Cop und kein Privatdetektiv. Niemand zwang mich, die Leiche zu untersuchen, ich konnte sie einfach links liegen lassen.
    Ohne nachzudenken und so, als bewegten sich meine Füße von selbst, kehrte ich in den Einbalsamierungsraum zurück. Ich wollte verschwinden, doch ich nahm mir zwei neue Handschuhe aus der Schachtel auf der Anrichte.
    »Alles klar?«, fragte Mom.
    »Alles klar«, sagte ich und trat an den Behandlungstisch, wo ich wieder den Lappen in die Hand nahm. Dabei konnte ich die Schnittwunden in den Armen der Leiche genauer betrachten.
    »Vorn sind wir fertig«, sagte Mom. »Hilf mir mal, sie aufzurichten, damit wir uns den Rücken vornehmen können.« Ich umfasste eine Schulter, Mom die andere, und wir zogen den Körper hoch. Da sich die Totenstarre wieder gelöst hatte, konnten wir ihn leicht bewegen.
    »O je.« Mom hielt inne. Wir hatten die Leiche erst halb aufgerichtet, doch ohne Organe war sie nicht schwer, und wir konnten sie mühelos festhalten. Mom legte die Hand auf den Rücken der Toten. »Gasbrand«, stellte sie fest.
    Margaret wandte sich um und sah besorgt herüber. »Machst du Witze?«
    »Sieh doch selbst.« Mom bewegte die Hand. Jetzt erkannte ich es auch. Die Haut rutschte leicht über die Muskulatur, als wäre sie nicht mehr damit verbunden. Das war übel.
    »Die Haut rutscht«, erklärte Mom. »Die Chemikalien der Gerichtsmediziner haben den Geruch irgendwie überdeckt.« Sie beugte sich über den Rücken der Frau, schnüffelte, zog den Mundschutz ab und schnüffelte noch einmal. Dann wandte sie sich angewidert ab. »Das ist ja furchtbar. Leg sie wieder hin, John.«
    Wir legten die Tote auf den Rücken und dachten fieberhaft nach. Gasbrand war der Albtraum jedes Bestatters. Das Phänomen entsteht durch hochinfektiöse Bakterien, die sich von totem Gewebe ernähren und im Innern des Körpers ein giftiges Gas absondern. Gewöhnlich erkannte man es sofort am Geruch, doch manchmal – wie bei dieser Leiche – wurde der Geruch durch andere Chemikalien überdeckt, und dann war die rutschende Haut das beste Erkennungszeichen. Mom hatte es auf dem Rücken festgestellt, weil dort die Gasblasen die Haut von den Muskeln gelöst hatten. Das Gas war für sich schon schlimm, weil der Gestank einfach bestialisch war, und das würde kein gutes Licht auf uns werfen, wenn die Angehörigen die aufgebahrte Leiche aufsuchten. Noch schlimmer als das Gas waren allerdings die Bakterien, die es erzeugten. Wenn sie sich einmal am Arbeitsplatz ausgebreitet hatten,

Weitere Kostenlose Bücher