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Mr Monster

Mr Monster

Titel: Mr Monster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Wells
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zufällig oder absichtlich, waren die Wunden mit menschlichen Fäkalien infiziert worden.
    Ich betrachtete sie näher. Möglicherweise war die Frau tagelang in einer Zelle ohne Toilette festgehalten worden, oder der Angreifer hatte die Fäkalien absichtlich in die Wunden eingeführt. Wie auch immer, als mir die Grausamkeit und die schreckliche Erniedrigung erneut bewusst wurden, taumelte ich fast und stürzte in den Albtraum zurück, der mich plagte, seit wir mit der Arbeit an der Leiche begonnen hatten.
    Ich war im Behandlungsraum, aber auch irgendwo in einem Keller. Bei mir war die tote Janella Willis, zugleich aber auch das weinende, kreischende Opfer – nicht nur einmal, sondern ein Dutzend Mal oder hundertmal gequält, und in meinen Gedanken ballte sich alles zusammen, als geschähe es in einem einzigen Augenblick. Ich stach sie, verbrannte sie, brach ihr die Knochen. Manchmal lachte ich, manchmal fluchte und tobte ich, dann wieder war ich einfach nur da, bleich und leer. Ein Teil von mir genoss den Kitzel, ein anderer Teil analysierte die Möglichkeiten. Ich wollte beides wegschieben und an etwas anderes denken. Es war zu stark. Also konzentrierte ich mich auf die analytische Seite und versuchte, etwas Nützliches daraus zu machen, etwas Wichtiges zu erfahren oder zu entdecken, indem ich die Szenarien im Kopf durchspielte. Auch das gelang mir nicht. Vielmehr setzte ich Brooke in die Szenen hinein und fand jeden durchdringenden Schrei gleichzeitig aufregend und widerlich.
    Nein! So tief wollte ich nicht sinken. Meine Augen waren offen, doch die Tagträume drängten sich in den Vordergrund und überlagerten die Realität. Die Frau auf dem Tisch war Brooke, ihr Bauch war weit geöffnet. Nein! Auf keinen Fall Brooke! Wieder schob ich die Gedanken weg, und abermals war ich zu schwach. Also konnte ich die Visionen nur verlagern und in etwas weniger Schlimmes verwandeln.
    Marci.
    Marci war äußerlich attraktiv, bedeutete mir aber nichts. Deshalb fiel es mir leichter, an sie zu denken. Phantasien über Brooke fühlten sich falsch an, als betröge ich sie, doch wenn ich das Gleiche mit Marci tat … mit ihr fühlte ich mich nicht verbunden. Da gab es keinen Betrug. An diesem Gedanken hielt ich fest. Marcis Körper und ihre Farben, das dunkelbraune Haar … und auf einmal lag sie auf dem Tisch, und ich konnte wieder leichter atmen.
    Erst als ich mich halbwegs gefangen hatte, wurde mir bewusst, dass ich mich mit einer Hand am Behandlungstisch festhielt. Ich musste hier raus. In diesem Moment öffnete sich die Tür, und Mom kehrte seufzend zurück. Ich legte auch die zweite Hand auf den Tisch und tat einen Schritt in Richtung Tür.
    Ich schaffe es, dachte ich. Ich verlasse eine üble Situation. Ich vermag meine Gedanken zu beherrschen und bin der Herr meines Handelns. Mom sagte etwas zu Margaret, es ging wohl um das Telefonat mit Ron. Ich achtete nicht auf die beiden. Ich musste raus.
    Noch ein Schritt. Ich schaffte es.
    Dann ging die Tür auf, und Lauren stand vor mir – mit blauen Flecken im Gesicht, mit verquollenen Augen vom Weinen und Verletzungen.
    »Was ist passiert?«, schrie Mom.
    Lauren wimmerte wie ein verlorener kleiner Hund in der tödlichen großen Wildnis. »Er hat mich geschlagen«, presste sie hervor.
    Die Welt um mich ging in Stücke, und Mr. Monster brüllte so laut, dass sogar Mom, Margaret und Lauren es hörten. Erschrocken starrten sie mich an. Ich rannte hinaus.
    Tod! Tod!
    Aus der Verwirrung wurde Wut, und der Urtrieb zu töten brandete wie ein Vulkanausbruch an die Oberfläche. Das Warten ist vorbei – es muss sofort geschehen! Ich stolperte durch die Flure, verirrt in meinem eigenen Heim, bis ich endlich den Weg nach draußen fand und wie ein Ertrinkender die frische Luft einatmete.
    Töte ihn! Schreien soll er!
    Nein!
    Es war noch früh, doch inzwischen ging langsam die Sonne auf und tauchte die Stadt in ein gespenstisches Zwielicht. Ich stützte mich an der Wand ab, um das Gleichgewicht nicht zu verlieren, ging zu meinem Auto hinaus und ließ den Motor an. Ich musste etwas tun. Mit quietschenden Reifen fuhr ich an, und in meinem Kopf stieß Curt einen quietschenden Schreckensschrei aus. An der nächsten Ecke bog ich jedoch nicht in seine, sondern in die entgegengesetzte Richtung ab. Wild und ziellos fuhr ich herum, als kämpften meine eigenen Hände gegen mich.
    Ich werde niemanden töten!
    Und was dann?
    Ich drückte das Gaspedal bis zum Anschlag durch und ließ mir vom animalischen Kitzel

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