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Mr Monster

Mr Monster

Titel: Mr Monster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Wells
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hatte mich die ganze Zeit in meinem Zimmer verkrochen und wollte dringend raus, hatte aber Angst, verhaftet zu werden. Das Lagerhaus war völlig niedergebrannt, und irgendwie hatten die Flammen auf die umgebenden Bäume übergegriffen. Die Feuerwehr hatte den ganzen Tag und den größten Teil der Nacht gebraucht, um es zu löschen. Ich war natürlich verschwunden, bevor jemand dort eingetroffen war, aber die Polizei dachte sofort an Brandstiftung. Zu Hause war ich besser aufgehoben.
    Mehr als das Feuer beschäftigte mich die Katze. Ich hatte eine Katze getötet. Das hatte ich noch nie getan, und ich erschrak über mich selbst. Im vergangenen Jahr hatte ich mehrere Regeln gebrochen, doch dafür hatte es immer gute Gründe gegeben. Ich hatte mich ganz sachlich entschieden, Mr. Crowley zu beschatten, weil ich ihn irgendwie davon abhalten musste, weitere Morde zu begehen. Der Angriff auf seine Frau war Teil eines sorgfältig ausgearbeiteten Plans gewesen, denn nur auf diese Weise hatte ich den Dämon fassen können. Schließlich hatte ich ihn getötet, weil das der einzige Weg gewesen war, die Stadt zu schützen. All das waren schwierige, schmerzliche Entscheidungen gewesen. Jedes Mal hatte ich alles genau gegeneinander abgewogen, ehe ich den Schritt gewagt und die betreffende Regel gebrochen hatte. Die Katze aber – das war etwas anderes. Die Katze hatte ich impulsiv und aus einem plötzlichen Drang heraus getötet. Eine Entscheidung in der Hitze des Augenblicks, deren Tragweite mir erst hinterher klar geworden war. Bei allen vorherigen Entscheidungen hatte ich Mr. Monster bewusst die Regie überlassen. An jenem Tag im Lagerhaus hatte Mr. Monster sich die Macht einfach genommen.
    Wenn er es einmal getan hatte, dann würde er es wieder tun. Ich hatte Angst, als ich mir ausmalte, wann und wo es geschehen könnte, und fragte mich, ob es überhaupt zu verhindern wäre.
    »Bitte … jemand hat meine Tochter angegriffen. Ein Einwohner Ihrer Stadt hat sie brutal geschlagen, und er läuft ungestraft da draußen herum. Nein, ich bin nicht außer mir. Darf ich bitte mit Ihrem Vorgesetzten sprechen?«
    Ich saß in meinem Zimmer am Boden, in die Lücke zwischen Bett und Wand gequetscht, die Tür war fest verschlossen. Außerdem hatte ich mir ein Kissen über den Kopf gelegt, aber ich hörte sie trotzdem noch schreien.
    »Hallo, Agent Forman? Hier ist April Cleaver …« Pause. »Ja, ich weiß, und es tut mir leid, dass ich Sie noch einmal anrufen muss, aber …« Pause. »Mit denen habe ich bereits gesprochen, sie können nichts tun.« Pause. »Nein, auch die habe ich schon gefragt.« Pause. »Aber Sie müssen doch irgendetwas …«
    Im Lagerhaus haben viele Insekten gelebt, überlegte ich. Wahrscheinlich habe ich sie alle getötet. Verstößt das Töten von Insekten gegen die Regeln? Sicherlich habe ich schon eine ganze Menge Insekten umgebracht. Einige kleben zum Beispiel an meiner Windschutzscheibe. Muss ich mich wegen dieser ganzen Insekten schuldig fühlen? Darüber dachte ich lange und eingehend nach. Käfer sind sicherlich kein Problem. Sie fühlen nichts und scheren sich nicht darum, was jemand mit ihnen anstellt, und sonst kümmert es niemanden. Also spielt es keine Rolle, wenn ich sie töte. Eigentlich sind sie auch genau dazu da, oder? Sie tun sowieso nichts für die Menschheit. Ich sollte rausgehen und ein Insekt suchen, ein einziges nur. Ich würde es nicht einmal töten, sondern ihm nur einen Flügel oder ein Bein ausreißen. Ein kleines Tier. Niemand würde es bemerken.
    »Hallo, ist da die Hotline für häusliche Gewalt? Ich bin April und wohne in Clayton …« Pause. »Ja, Clayton County.« Pause. »Sie haben ja hier keine Zweigstelle, deshalb rufe ich Ihre Zentrale an und …« Pause. »An die Polizei habe ich mich schon gewandt, aber die will nicht … ja, ich warte.«
    Ich stand auf und wollte rausgehen. Ich brauchte nur ein Insekt, ein kleines Tier. Vielleicht einen Marienkäfer. In den Fugen auf dem Gehweg liefen immer viele Ameisen herum. Wenn ich wollte, konnte ich mit einem Fuß ein ganzes Heer vernichten, aber das nützte nichts. Ein rascher Tritt würde mir keine Befriedigung verschaffen. Ich wollte ein Insekt haben, mit dem ich eine gewisse Zeit verbringen konnte, und zusehen, was passierte, wenn ich ihm ein Bein ausriss. Es sollte wissen, dass ich ihm wehgetan hatte, ein zielstrebiges Bewusstsein und kein willkürlicher Wetterumschwung. Ich schloss die Tür auf und ging den Flur hinunter. Hoffentlich

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