Mr Nanny
erwartete von uns, immer dann kluge Äußerungen zu machen, wenn es ums aktuelle Tagesgeschehen ging, egal welches Gebiet. Den Wichtige-Persönlichkeit-des-öffentlichen-Diensts-Posten nahm natürlich der Untergeneralsekretär der UN für den Nahen Osten ein. Der leitende Partner eines Hedgefonds dagegen übernahm die Eigener-Jet-fünf-Häuser-Geld-ohne-Ende-Stelle.
Doch jemand fehlte, fand ich. Peter. Und schon ging meine Fantasie mit mir durch: ich in einem sexy Wickelkleid mit allen möglichen Eingriffsmöglichkeiten, er in einem dünnen schwarzen Rolli und Tweedjackett. Wir standen in Susannahs knallorange lackierter Bar. Er schob langsam die Tür zu, hob mein Kinn an …
Montgomery Clift, der zu meiner Rechten saß, rückte näher. »Tolle Ohrringe«, sagte er.
Erfreut wandte ich mich meinem neuen besten Kumpel zu. »Wirklich? Finden Sie?«
»Echt toll, besonders der Kontrast zu Ihren dunklen Haaren.«
»Sagen Sie das mal meinem Mann. Er findet, ich sehe langweilig und farblos aus.«
»Was weiß der schon? Wer ist es? Der Kerl dort im Anzug? Was macht er? Ist er Banker?«
»Rechtsanwalt.«
»Hören Sie, Baby, für mich sind die alle gleich. Einer von diesen Geldlemmingen.«
»Sie sind Modedesigner, wenn ich richtig verstanden habe?« Es gibt nichts Besseres, als auf einer New Yorker Dinnerparty mit einem Schwulen zu flirten. »Sagen Sie mir ganz ehrlich, was Sie von meinem Outfit halten - ich bin leider ein wenig behindert, wenn es um Stilfragen geht.«
»Sie wollen es also wirklich wissen?«
»Oh ja, glauben Sie mir.«
Ich war vor ein paar Wochen über den roten Teppich des Kindergartens geschritten - in einem, wie ich fand, fantastischen neuen grauen Flanellkostüm und atemberaubenden, zwölf Zentimeter hohen Heels; ich war mir sicher, den Fashioncode nun endlich geknackt zu haben. Doch als Ingrid Harris auf mich zukam, starrte sie entsetzt meine Beine an und sagte: »Jamie, was zum Teufel?«
Ich dachte, jetzt würde sie mich gleich zu meinem ausgezeichneten Geschmack beglückwünschen; meine Schuhe waren fantastisch - selbst mir war das klar. »Was hast du vor? Machst du Visite?«
Ich muss wohl einen ziemlich belämmerten Eindruck gemacht haben, denn sie fuhr fort: »Die Strümpfe! Jamie! Du siehst aus wie’ne Krankenschwester! Helle Seidenstrümpfe! Auf welchem Planeten lebst du eigentlich?«
»Ich, äh...«
»Wer hat dich heute früh angezogen? Geh heim und zieh dir was anderes an, bevor du dich noch mehr blamierst.« Und so läuft es immer mit meinen lächerlichen Versuchen, meine Mittelklassewurzeln abzustreifen und es mit den schicksten Frauen der Welt aufzunehmen.
Montgomery kippte seinen Stuhl zurück und musterte mich wie ein Rennpferd, das er zu kaufen gedachte. Oder wie ein Rindvieh, je nachdem, wie man es betrachtete. Dann, nach zwanzig Sekunden, kam das Urteil: »Ich muss Ihrem Mann zustimmen.«
»Nein!«
»Doch, Schätzchen! Fangen wir ganz unten an. Die Schuhe.« Pause. »Schön, aber nichts für den Abend.«
»Aber wieso nicht? Das sind schwarze Manolos! Was soll daran falsch sein?«
»Sie tragen Samt, das hat einen gewissen Schimmer. Ihre Schuhe sind zu matt für Ihren Hosenanzug und den Glanz Ihres Gürtels. Übrigens: Topnote für den Gürtel. Und die Ohrringe, die Muscheln. Jetzt, wo ich Ihr ganzes Outfit sehe, passen sie überhaupt nicht.« Er schüttelte den Kopf und drohte mir mahnend mit dem Zeigefinger. »Muscheln passen nicht zu glänzendem Gold. Und niemals ein schwarzes Top zu einem dunkelvioletten Kostüm anziehen. Zu eintönig.«
»Okay. Ich bin überhaupt nicht beleidigt.« Er hatte mich zutiefst verletzt. »Mein Outfit ist also total daneben. Erklären Sie mir bitte, warum.«
»Schön. Die Leute zahlen viel Geld, damit ich das tue, aber Sie kriegen’s ganz umsonst.« Er war so süß, mit seinen glatt zurückgekämmten, gegelten Haaren und den riesigen Schlafzimmeraugen. Er lächelte und drückte mir aufmunternd die Schulter. »Die Schuhe: Schwarzer Satin wäre angebracht, nicht Leder. Ein bisschen Bling an den Schuhen könnte ebenfalls nicht schaden - Kettchen oder sexy Spitzenbänder, die man bis zu den Waden schnürt, vielleicht ein paar Strasssteinchen, weil’s Abend ist. Abendschuhe sollten immer ein bisschen nuttig sein, egal wo man hingeht.Wenn Manolo es nicht hat, dann versuchen Sie’s bei Christian Louboutin, der ist fast noch besser. Niemals matte schwarze Lederschuhe zur Abendgarderobe.«
Er nahm einen kräftigen Schluck Wein, als hätte er
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