Mr Nanny
mit seinem Arbeitszimmer. Jedes Zimmer war in klaren Farben und Linien gehalten: helle Wände, Teppiche und Vorhänge mit braunen oder marineblauen Borten. Carolina schlief in einem winzigen Kämmerchen neben der Küche. Das zeigte ich ihm absichtlich nicht, weil ich mich schämte, dass es so klein war. Aber ich hatte mir bei der Einrichtung große Mühe gegeben, sodass es zumindest hell und fröhlich wirkte. Als wir Michaels und Gracies Zimmer verließen, blieb Peters Blick einen Moment an den zarten Vorhängen und der blassgrünen Tapete hängen.
»Erinnert mich an mein altes Kinderzimmer«, bemerkte er.
»Wirklich?«
»Nein.« Er lachte und klopfte mir auf die Schulter, wie um zu sagen: Locker bleiben, Baby. »Nein, mir gefällt die Wohnung. Ich will Ihnen nicht zu nahe treten, aber ich dachte schon, sie würde, na ja...«
»Was?«
»Spießiger sein.«
»Spießig? Wir sind nicht spießig!« Ich überlegte eine Sekunde. »Na ja, mein Mann kann schon manchmal ein bisschen formell sein.«
»Ihr Mann und ich, wir werden schon miteinander auskommen.«
Oh Mann. Der Bursche hatte keine Ahnung, wovon er redete.
Der heimelige Duft von Carolinas Tomatensoße zog uns unwiderstehlich in die Küche, einen großen, hellen, apfelgrünen Raum, in dem meine Familie den Großteil ihrer Zeit zu verbringen schien. Die Sitzbank in der Frühstücksecke war mit weichen, gelbgrün gestreiften Kissen gepolstert. Ich bot Peter ein paar Chips aus einer offenen Tüte an, und er tauchte gleich das erste in die vor sich hin köchelnde Tomatensoße. Carolina, die von der Diele aus Zeugin dieses unverzeihlichen Fehltritts geworden war, machte ein Gesicht, als wolle sie ihm gleich eins mit der Bratpfanne überziehen. Ich hatte Carolina und Yvette am Tag zuvor mitgeteilt, dass unser Haushalt Zuwachs in Form einer dreißigjährigen männlichen Nanny bekommen würde. Leider war mir beim Verlassen des Zimmers nicht der Blick entgangen, den Carolina Yvette zuwarf: Sie ist muy loca , besagte er.
»Peter, darf ich vorstellen: Carolina Martinez. Sie arbeitet sehr hart, um uns und die Kinder zu versorgen.« Ich suchte nach den richtigen Worten, um dieTomaten-Tortillachip-Reste auf seinem Kinn zu erklären. »Carolina legt äußerst großen Wert auf die Qualität der Nahrungsmittel, die sie für uns zubereitet«, war alles, was mir einfiel. »Carolina, das ist Peter Bailey. Er hat viel mit Kindern gearbeitet und freut sich riesig, jetzt bei uns sein zu dürfen.«
Peter wischte sich die Krümel vom Kinn, die Hand an der Snowboardhose ab und streckte sie dann Carolina hin. Diese setzte ihren Wäschekorb mit einem Knall ab und gab ihm widerstrebend die Hand. Dann reichte sie ihm mit bitterbösem Blick eine Serviette. Er wirkte nicht die Spur eingeschüchtert.
»Diese Soße ist einfach köstlich. Ich konnte unmöglich widerstehen.«
Sie starrte ihn misstrauisch an.
»Ich würde sogar sagen, es ist die beste Soße, die ich je probiert habe. Ehrlich.« Er wandte sich an mich. »Hey, Mrs.Whitfield, ist Abendessen eigentlich im Preis inbegriffen? Das hoffe ich doch sehr, wenn diese Lady hier kocht.« Er drückte lächelnd ihren Arm.
Sie zuckte zwar automatisch zurück, aber ihr Blick wurde dennoch sanfter. Dieser Bursche hatte dem Vulkan Carolina in zwanzig Sekunden das Feuer entzogen, etwas, das mir bislang noch nie gelungen war.
8. Kapitel
Nannys sind so viel unkomplizierter als Mannys
»Dylan, sieh Peter bitte an, wenn du ihn begrüßt, besonders, da es das erste Mal ist.«
»Mrs.Whitfield, würden Sie das bitte mir überlassen?«, sagte Peter. »Kinder wollen nicht immer höflich sein müssen.« Dylan brachte kaum ein Wort heraus und starrte zu Boden, während Peter alles tat, um ihn aus seinem Schneckenhaus zu locken. Sie verschwanden schließlich in Dylans Zimmer, doch Peter kam schon wenige Minuten später wieder heraus. Er meinte, wir müssten es langsam angehen.
Am folgenden Nachmittag kam Peter früher, und wir fanden uns abermals in der Küche wieder. Ich sagte zu ihm: »Dylan und ich hatten gestern Abend ein langes Gespräch. Er ist ziemlich zornig geworden.«
»Meinetwegen.«
Ich versuchte nicht allzu entmutigt auszusehen. »Ja.«
»Ich glaube, ich hätte in seinem Alter und in seiner Situation genauso reagiert. Hab es auch, um ehrlich zu sein.«
»Wirklich?«
»Es waren natürlich nicht die gleichen Verhältnisse. Aber, ja, ich hatte auch einen Dad, der zu viel von mir forderte und nie zu Hause war, und eine
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