Mr Nanny
Basketballplatz mit verrosteten Korbringen, der von einem hohen, gusseisernen Zaun umgeben war. Dahinter tummelten sich etwa vierzig Teenager unter den vier netzlosen Korbringen, die meisten davon Schwarze oder Latinos. Die asphaltierte Spielfläche wies enorme Risse auf und sogar ein paar böse Schlaglöcher, sodass es schien, als ob es nur eine Frage der Zeit wäre, bis sich jemand den Knöchel brach.
Peter rief: »Hey, Russell, schau, wer da ist!«
Ein hoch aufgeschossener, dürrer Teenager in einem dieser typischen schlabberigen Jogginganzüge, hob die Hand zum Gruß, Zeigefinger und kleiner Finger hochgereckt. Der Bursche kam mir bekannt vor - ja, er war bei dem Schachspiel im Central Park dabei gewesen. Meine Kehle war auf einmal wie zugeschnürt.
»Yo! D. Was läuft? Lust auf ein Spiel?«, rief Russell.
»Dylan, ich dachte, du spielst nicht mehr Basketball. Das hast du jedenfalls gesagt.«
»Ich hab gesagt, dass ich nicht mehr mit denen von St. Henry’s spielen will, die sind total blöd. Aber Peters Freunde sind echt cool.«
»Yo! D. Beeil dich, Mann.«
»Mom, könntest du, du weißt schon, genau zuschauen, aber mich nicht anfeuern oder schreien oder so was? Tu einfach, als würdest du nicht zuschauen.«
»Alles klar.«
Er straffte die Schultern und holte tief Luft, als wolle er eine Zweihundertkilohantel stemmen. Peter flüsterte ihm noch ein paar letzte Ratschläge ins Ohr. Dylan nickte und marschierte in einem schwingendmännlichen Gang los. Gleich darauf drehte er sich jedoch noch einmal um und kam wie ein aufgeregtes kleines Hündchen zu mir zurückgesprungen. »Mom, egal was passiert, du darfst mich nicht umarmen oder so, ja? Am besten überhaupt nicht anfassen, okay?«
»Würde mir im Traum nicht einfallen.«
Er rannte auf die Jungs zu, dann, etwa zehn Schritte von ihnen entfernt, stoppte er abrupt und verfiel wieder in diesen männlichschaukelnden Gang. Dylan hob die Hand zum High Five, Russel schlug ein und schlang dann den Arm um Dylans Schulter, was ich unheimlich süß fand. Er drückte ihm den Ball in die Hände.
Ich fragte Peter: »Wie alt ist er?«
»Dreizehn. Nein, stimmt nicht, er hatte vor kurzem Geburtstag. Vierzehn. Neuntklässler.«
»Und da nehmen sie sich für einen Grundschüler Zeit? Das finde ich... Also, mir fehlen die Worte. Das ist so lieb.«
»Mit lieb hat das nichts zu tun. Sie mögen ihn. Dylan ist cool.«
»Peter, die tun das, weil sie Sie mögen.«
»Das auch, aber sie mögen ihn wirklich.«
Die etwa acht anderen Kids in Russells Mannschaft unterbrachen ihr Spiel und tauschten entweder High Fives mit Dylan oder schlugen ihm auf den Rücken oder versetzten ihm einen Knuff gegen die Schulter.
Russell sagte zu ihm: »Also Dylan, wir sind gut im Spiel. Sieh zu, dass du den Ball reinmachst.« Die anderen wichen zurück, und Dylan stellte sich an der Freiwurflinie in Position, den schweren Ball in beiden Händen.
Ich schaute Peter an. »Das schafft er nie. Der Ball ist viel zu schwer für ihn.«
»Der macht das. Aber nicht gleich beim ersten Mal.« Dylan warf und verfehlte den Korb um mindestens einen Meter.
»Und diese Jungs lassen ihn?«
»Russell ist der Schlüssel. Er hat Dylan gern, und die anderen folgen ihm. Russell ist immer vor den anderen da, und manchmal wirft er mit Dylan ein paar Körbe. Aber Dylan spielt auch gern mit den anderen Jungs. Natürlich wär’s besser gewesen, wenn wir nicht erst zehn Minuten damit hätten verschwenden müssen, Sie zum Mitgehen zu überreden...«
Jetzt verstand ich. »Und wie oft kommen Sie mit ihm hierher?«
»So einmal die Woche.«
»War es nicht schwer für ihn, sich an die Kids hier zu gewöhnen, vor allem wenn man bedenkt, dass es um Basketball geht, einen Sport, den er schon abgeschrieben hatte?«
»Ich will es mal so sagen: Es war klar, dass er noch nicht viel Zeit in dieser Gegend verbracht hat.Wir haben die ersten paar Male nur zugeschaut. Dann haben wir versucht, früher da zu sein, und Russell hat ihm ein paar Tricks beigebracht; er hat den Ball anfangs nicht richtig gehalten. Jetzt versucht Russell, ihm ein bisschen Spin beizubringen, was noch nicht so recht klappt, aber er spielt schon viel besser, und das haben wir Russell zu verdanken. Russell ist der Mann.«
»Ich glaub’s einfach nicht, dass Sie mir das verschwiegen haben.«
»Sie müssen nicht alles wissen. Der Junge steht so schon genug unter Druck.«
Mein dürrer kleiner Sohn dribbelte den Ball in Zeitlupe, wie es schien, wenn man es mit
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