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Mr. Postman

Mr. Postman

Titel: Mr. Postman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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sagen Sie nichts?«
    Ich hob die Schultern etwas an. »Sorry, aber ich wusste nicht, dass Sie einen Zwillingsbruder haben. Nun ja, so überraschend ist es auch wieder nicht. Schließlich gibt es genügend Zwillinge in diesem Land.«
    »Da haben Sie recht.«
    »Und weiter.«
    »Wir haben uns geliebt. Wir haben uns wirklich geliebt. Keiner wollte ohne den anderen sein, auch im Tod nicht. Wir haben aneinander gehangen.«
    »Aber jetzt ist Cassius tot!« sagte ich.
    »Genau.« Er hatte völlig locker gesprochen, die Hand lag lässig neben der Maus.
    »Und Sie leben, Mr. Manson. Da müssten Sie doch auch einen Namen haben.«
    »Ich heiße Gordy. Gordy Manson.«
    »Der Briefträger.«
    Er lachte etwas schrill. »Auch das. Es klappte alles nahtlos. Ich habe den Job meines Bruders übernommen. Stellen Sie sich vor, niemand hat etwas bemerkt. Nicht auf meiner Dienststelle, und auch die Kunden haben nichts mitbekommen. All die neugierigen Weiber, die jeden Morgen darauf warten, Post zu erhalten. Sie glauben gar nicht, was man als Postbote so alles erfährt. Ich habe meinem Bruder kaum glauben können, als er mir das immer erzählte. Nach seinem Tod habe ich es am eigenen Leib erfahren können. Diese Frauen sind gelangweilt, frustriert. Sie suchen nach Abwechslung…«
    »Zum Beispiel nach einem Lover oder einem Freund«, unterbrach ich ihn.
    »Ja, richtig. Einige von ihnen haben das tatsächlich getan.« Er zuckte die Achseln. »Mein Bruder hat es erfahren. Er transportierte manchmal Briefe dieser Lover. Er war sehr moralisch, verstehen Sie? Er mochte es nicht, wenn Menschen ihre Welten einfach verließen und Mauern einrissen. Für ihn musste alles seine Ordnung haben. Er war für manche Frauen so etwas wie ein Beichtvater. Das würde offen keine von ihnen zugeben, aber die Lage ist nun mal so gewesen. Er hat sich alles sehr gut gemerkt, und er hat geschworen, es nicht auf sich beruhen zu lassen.«
    »Ja«, sagte ich, noch immer das Bild anstarrend. »Das habe ich alles verstanden. Doch Ihr Bruder ist tot. Was kann er noch daran ändern? Es sei denn, Sie hätten seine Aufgabe übernommen und nicht nur das Austeilen der Post.«
    Gordy Manson nickte traurig vor sich hin. »Sie haben recht, Mr. Sinclair, er ist tot.« Er dachte einen Moment lang nach, bevor er weitersprach. »Es hört sich zwar kitschig an, aber hier stimmt der Spruch, dass Liebe den Tod überwinden kann. Ja, bei meinem Bruder trifft er zu, weil es um Liebe ging.«
    Ich musste mich räuspern, bevor ich fragte: »Geht es um die Liebe zwischen Ihnen beiden?«
    »Exakt, wunderbar, Mr. Sinclair. Wie Sie das alles erfasst haben! Wahnsinn.«
    »Es war ja nicht schwer, wenn ich ehrlich bin. Kann ich davon ausgehen, dass er trotzdem noch lebt und von Ihnen gelenkt wird? Dass er gar nicht in seinem Grab liegt?«
    »Sie begreifen schnell!«
    Ich drehte ihm das Gesicht zu. Seine Züge waren angespannt, und der Mund mit den schmalen Lippen hatte sich zu einem Lächeln verzogen.
    »Wollen Sie nicht wissen, wie wir das geschafft haben, Sinclair? Sind Sie jetzt nicht neugierig?«
    Ich hob die Schultern. »Sie werden es mir sicherlich näher bringen, sonst säßen wir nicht hier.«
    »Exakt.«
    »Wie kann Ihr Bruder leben?«
    »Das ist nicht so schwer. Man muss nur den richtigen Weg kennen. Er war schon immer etwas Besonders. Er hat sich für Dinge interessiert, die der normale Mensch nicht begreift. Das ging mir auch so. Ich habe ihn ausgelacht, als er davon sprach, seine Seele dem Teufel zu verkaufen. Sie würden sagen, dass er sich in die Hand des Bösen gegeben hat, und das trifft auch zu. Für ihn war es nicht das Böse. Für ihn war es die Erfüllung seiner Wünsche, denn der Teufel hat ihm ein anderes Leben versprochen. Eins nach dem normalen. Er starb, er verweste, aber in seinen Knochen steckte die Kraft der Hölle. Sie trieb ihn aus dem Grab, und so läuft er als Cassius Manson wieder durch die Straßen. Diesmal nur nicht am Tag, sondern in der Nacht. Sie gehört ihm. Sie ist für ihn ungemein wichtig. Er ist der wahre Herrscher im Viertel der frustrierten Frauen. Er hat nicht vergessen, was sie getan haben, und er hat dem Teufel als Gegenleistung versprochen, ihm die Seelen der Frauen zu schenken, die er umbringt.«
    Ich war nicht geschockt. Das alte Lied. Schon oft hatte ich es gehört.
    Es gab immer wieder Menschen, die sich nicht damit abfinden konnten, dass ihr Leben irgendwann vorbei ist. Sie wollen auch weiter existieren.
    Einige lassen sich einfrieren, andere

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