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Mrs. Alis unpassende Leidenschaft

Mrs. Alis unpassende Leidenschaft

Titel: Mrs. Alis unpassende Leidenschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helen Simonson
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aus dem Haus stöckelte und in einem kleinen grünen Auto, dessen Stoßstange ein Sticker mit der Aufschrift »Ibiza Lover« zierte, davonfuhr.
    Der Major entschuldigte sich stillschweigend beim Rest des Viertels und ging auf die schwere Eichenholztür der Alis zu. Auf der Eingangsstufe blieb er stehen und starrte den schlichten Messingring des Türklopfers an. Er erinnerte sich, wie er mit Mrs. Ali vor dem Golfclub gestanden hatte und wie nervös und erwartungsvoll sie beide gewesen waren. Mittlerweile war er davon überzeugt, dass das Leben nie den Erwartungen gerecht wurde, und seine Gewissheit, an diesem Tag ein Desaster zu erleben, wuchs. Er sah sich um und überlegte, ob er nicht besser zu seinem Wagen zurücklaufen sollte. Ein junger Mann fuhr langsam auf dem Rad an ihm vorbei und glotzte ihn kaugummikauend an. Der Major nickte ihm zu, und weil er es als zu peinlich empfand, sich unverrichteter Dinge wieder aus dem Staub zu machen, wandte er sich zur Tür und klopfte.
    Eine junge schwangere Frau öffnete. Unter dem locker aufliegenden Kopftuch war eine modische Wuschelfrisur zu erkennen, und zu ihrem schwarzen Umstandskleid trug sie schwarz-weiß gemusterte Leggings. Ihr dunkles Gesicht war zwar attraktiv, hatte aber etwas Dumpfes und besaß eine nicht nur flüchtige Ähnlichkeit mit dem von Abdul Wahid.
    »Ja?«, sagte sie.
    »Guten Tag, ich bin Major Ernest Pettigrew. Ich möchte Mrs. Ali besuchen«, erklärte der Major im gebieterischsten Ton, den er aufbringen konnte.
    »Sind Sie von der Stadt?«, fragte die Frau.
    »Nein, um Gottes willen. Sehe ich aus wie ein Kommunalbeamter?« Die Frau warf ihm einen Blick zu, der besagte, dass es sich genau so verhielt. »Ich bin ein Bekannter von Mrs. Ali«, fügte der Major hinzu.
    »Meine Mutter ist gerade beim Einkaufen«, sagte die Frau. »Wollen Sie warten?« Sie öffnete aber weder die Tür weiter noch trat sie zur Seite, und der Major registrierte, dass sie ihn überaus misstrauisch beäugte.
    Jetzt wurde ihm das Missverständnis bewusst. »Nein, nein, ich will nicht zu Ihrer Mutter. Ich möchte zu Mrs. Jasmina Ali aus Edgecombe St. Mary.«
    »Ach, zu der«, erwiderte die Frau und fügte nach einer kurzen Pause hinzu: »Dann kommen Sie besser erst mal rein, und ich rufe meinen Vater an.«
     
    »Ist sie da?«, fragte der Major, während er in ein nur für den Empfang von Gästen gedachtes, ansonsten ungenutztes und entsprechend formell eingerichtetes Vorzimmer geführt wurde. Rechts und links von einem kleinen Gaskamin standen sich zwei Sofas gegenüber, deren Seidenbezug ein florales Flockmuster zierte und die mit einer durchsichtigen Kunststofffolie abgedeckt waren. Zwei gemusterte Wandteppiche und ein großes abstraktes Gemälde, das entfernt an eine blau-graue Landschaft erinnerte, schmückten die cremeweiß gestrichenen Wände. Bücher waren nicht zu sehen, dafür lagen auf den diversen Beistelltischchen Steine und Kristalle sowie Schälchen mit getrockneten Samenschoten und duftenden Zweigen. Vor dem Erkerfenster hing unter einem dazu passenden blauen Querbehang ein Raffrollo aus hochwertigem Stoff; gegenüber dem Fenster führte eine zweiflügelige, von einem bodenlangen blauen Vorhang eingefasste Tür aus mattiertem Glas nach nebenan. Der schönste Einrichtungsgegenstand des Zimmers war ein Orientteppich, eine grandiose handgewebte Musterexplosion aus Tausenden blauen Seidenfäden. Diesen Raum, dachte der Major, hätte seine Schwägerin Marjorie bewundert, und obwohl sie ihre Möbel noch nie in Kunststofffolie eingeschlagen hatte, sehnte sie sich heimlich bestimmt nach genau solch pflegeleichter Eleganz.
    »Ich bringe Ihnen Tee«, sagte die Frau. »Bitte warten Sie hier.« Sie ging und schloss die Tür hinter sich. Der Major entschied sich für einen von zwei kleinen Stühlen, die jeweils neben den Sofas standen. Sie waren zwar beängstigend zierlich, aber er traute es sich nicht zu, auf einem plastikverpackten Sofa zu sitzen, ohne durch etwaige Rutschbewegungen bedenkliche Quietschgeräusche zu produzieren.
    Stille legte sich über den Raum. Durch die Doppelscheiben drang nur gedämpfter Straßenlärm herein, keine Uhr tickte auf dem Kaminsims. Nicht einmal einen Fernseher gab es hier drin; allerdings glaubte er, von irgendwoher das Gebimmel einer Gameshow zu hören. Er spitzte die Ohren und kam zu dem Schluss, dass in den Tiefen des Hauses, hinter der Tür mit den Milchglasscheiben, ein Fernseher lief.
    Als die Tür zur Diele geöffnet wurde, erhob

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