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Mrs. Alis unpassende Leidenschaft

Mrs. Alis unpassende Leidenschaft

Titel: Mrs. Alis unpassende Leidenschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helen Simonson
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Versagen erkennen und hinnehmen. Mitten in diesem Zimmer war ihm, als schwebte er in der Luft, über dem Scheitelpunkt des Schweigens zwischen ihr und ihm und dem Geheul aus dem Nebenraum. In der Diele ertönten Schritte. Der Major beugte sich vor, streckte den Arm aus und umschloss mit festem Griff Jasminas Handgelenk. »Gehen wir.«

[home]
    Zweiundzwanzigstes Kapitel
    I ch muss telefonieren«, sagte er. Sie waren außerhalb der Stadt und fuhren nach Westen. Die Düsternis des Nachmittags drang schon kälter und reiner durch das leicht geöffnete Fenster. »Wir müssen einen Pub oder etwas Ähnliches finden.«
    »Ich habe ein Telefon.« Sie kramte in ihrer Einkaufstasche und holte ein kleines Handy hervor. »Das haben sie mir, glaube ich, gekauft, damit sie immer wissen, wo ich bin, aber ich schalte es natürlich nie ein.« Sie drückte ein paar Tasten, und das Handy gab mehrere durchdringende Pieptöne von sich.
    »Grauenhaft, diese Dinger«, sagte der Major.
    »Zehn Nachrichten auf der Mailbox. Wahrscheinlich suchen sie mich.«
    Nach einer Ausfahrt mit der Beschilderung »Touristen-Informationszentrum« hielt er auf einem kleinen Parkplatz mit Toiletten und einem alten, zu einem Informationsstand umfunktionierten Eisenbahnwaggon, der aber jetzt, im Winter, geschlossen war. Auf dem Parkplatz stand kein einziges anderes Auto. Während Mrs. Ali die Toilette aufsuchte, betätigte der Major die winzigen Zifferntasten und schaffte es im zweiten Anlauf, die richtige Nummer zu wählen.
    »Helena?«, sagte er. »Ernest Pettigrew. Entschuldige, dass ich einfach so anrufe.«
    Als Jasmina zurückkam – die Haare am Ansatz noch feucht vom Wasser, mit dem sie sich das Gesicht bespritzt hatte –, verfügte der Major über eine detaillierte Wegbeschreibung zu der Fischerhütte von Colonel Preston, seinem ehemaligen befehlshabenden Offizier, und wusste, dass der Schlüssel unter dem Igel neben dem Schuppen lag und die Petroleumlampen der Sicherheit wegen im Waschzuber aufbewahrt wurden. Helena hatte taktvollerweise nicht gefragt, wozu er die Hütte plötzlich brauchte; mit seinem Vorwand, die Fliegenrute des Colonels holen zu wollen, war er bei ihr jedoch abgeblitzt.
    »Wenn er die je in die Finger kriegt, müsste er sich mit der Tatsache auseinandersetzen, dass er sie nie benutzen wird, das wissen Sie ganz genau«, sagte sie. »Ich möchte ihm diesen Traum noch ein bisschen länger bewahren.« Als er sich verabschiedete, fügte sie hinzu: »Ich sage niemandem, warum Sie angerufen haben.« Danach starrte der Major auf das Handy und fragte sich, ob die im Flüsterton erzählten Geschichten des Colonels über seine Frau nicht doch der Wahrheit entsprachen.
    »Es kann losgehen«, sagte er. »Wir haben leider noch ein, zwei Stunden Fahrt vor uns. Es ist gleich …«
    »Bitte sagen Sie mir nicht, wo es ist. Dann kann ich eine Zeitlang sogar vor mir selbst verschwinden.«
    »Heizung gibt es dort natürlich keine. Wahrscheinlich liegt im Schuppen ein Sack Kohle. Nicht viel los mit Angeln im Winter.«
    »Und ich habe Essen dabei.« Sie sah die Einkaufstasche an, als wäre sie ganz plötzlich aufgetaucht. »Mir war zwar gar nicht bewusst, dass ich sie mitgenommen habe, aber so, wie es aussieht, gibt es heute Balti-Hähnchen.«
    Er stellte die Tasche in den Kofferraum, damit die Milch und das Huhn kühl blieben. Tomaten und Zwiebeln lugten hervor, und er roch frischen Koriander. Auch andere Gewürze und getrocknete Blätter in Plastiksäckchen schienen darin zu sein, und in einer Papiertüte zeichneten sich die weichen Konturen eines nach Mandeln duftenden Gebäcks ab.
    »Vielleicht sollten wir irgendwo anhalten und Ihnen ein paar – ein paar Sachen kaufen«, sagte der Major, der plötzlich an Damenunterwäsche denken musste und überlegte, wo die entsprechenden Geschäfte zu finden wären.
    »Ich möchte mir meine wundersame Rettung nicht mit einem Einkaufsbummel bei Marks & Spencer verderben«, entgegnete sie. »Fahren wir ganz schnell ans Ende der Welt!«
     
    Die Hütte ähnelte eher einem baufälligen Schafstall. Auf den dicken Steinwänden ruhte ein krummes Schieferdach, und die ursprünglichen Öffnungen waren auf primitive Art mit unterschiedlichen, aus anderen Häusern geretteten Fenstern und Türen gefüllt. Die Eingangstür bestand aus schwerem Eichenholz mit eingeschnitzten Eicheln und einem eichenlaubumkränzten Medaillon, während daneben ein morsches blaues Flügelfenster an der einen Seite mit Hilfe mehrerer

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