Mrs. Alis unpassende Leidenschaft
angaffen! Wir sollten doch ungestört sein, hat es geheißen.«
»Genau, wir sind hier alle barfuß!«, rief ein anderes Mädchen. Die ganze Truppe sah den Major so böse an, als wäre er in die Damenumkleide eingedrungen. George hob den Blick von seinem Malbuch und winkte. Der Stuhlstapel schwankte bedenklich.
»Entschuldigung, ich suche nur den Tee«, sagte der Major. Die Mädchen starrten ihn weiter wütend an. Ihrer üblichen Pflichten entledigt, um zu tun, was immer sie da gerade taten, hatten sie nicht die Absicht, einem Clubmitglied zu helfen.
Amina klatschte in die Hände. »Mädels, wir haben nur ein paar Wochen zum Üben. Wir machen jetzt fünf Minuten Teepause, und dann reden wir mal über Rhythmusgefühl.« Von einem so ungepflegten und sonderbaren Menschen hätte der Major niemals einen derart autoritären Ton erwartet. Noch erstaunlicher war, dass die Mädchen brav und fast ohne Murren durch die Schwingtür in die Küche schlurften. Der Major versuchte, nicht an die vielen schwitzigen Fußabdrücke auf dem Küchenboden zu denken.
»Major Pettigrew, stimmt’s?«, sagte Amina. »Sie waren doch mit Miss DeVere und dieser Mrs. Ali im Taj Mahal?«
»Schön, Sie und George wiederzusehen.« Der Major winkte George zu, ohne auf die Einzelheiten in ihrer Frage einzugehen. »Darf ich erfahren, was Sie da mit unseren reizenden Damen vom Mittagsservice vorhaben?«
»Ich versuche, ihnen ein paar einfache Volkstanzschritte beizubringen, die sie auf dem Ball vorführen sollen«, erklärte Amina und lachte bitter auf. »Sadie Khan hat Miss DeVere erzählt, dass ich tanze, und da haben sie mich gebeten mitzumachen.«
»Ach du meine Güte, mein aufrichtiges Beileid«, sagte der Major. »Kaum zu glauben, dass man Sie mit etwas derart Unmöglichem betraut hat.«
»Wenn es einfach wäre, hätte ich es nicht gemacht«, sagte Amina, und über ihr Gesicht huschte ein finsterer Ausdruck. »Ich nehme keine Almosen an.«
»Nein, nein, natürlich nicht.«
»Ach, was rede ich da – ich hatte das Geld dringend nötig, und wenn man nicht mehr als drei verschiedene Schritte von ihnen verlangt, sind sie gar nicht so übel. Wir wackeln einfach viel mit den Hüften, und vielleicht gebe ich ihnen noch größere Tücher.«
»Je mehr Schleier, umso besser, glaube ich«, sagte der Major. »Die nackten Füße sind schon schockierend genug.«
»Wie gut kennen Sie eigentlich Mrs. Ali?«, wollte Amina unvermittelt wissen.
Instinktiv reagierte der Major ausweichend auf die unverblümte Frage. »Mrs. Ali führt einen sehr guten Laden. Heutzutage sterben ja so viele Dorfläden aus.« Er machte eine kurze Pause. Dann fügte er, um das Thema zu wechseln, hinzu: »Sie sind professionelle Tänzerin, nehme ich an?«
»Tanz, Yoga, Aerobic. Tanzen wird schlecht bezahlt, deshalb unterrichte ich alles Mögliche. Dann finden Sie Mrs. Ali also nett?«
»Sie sind offenbar sehr gut auf Ihrem Gebiet«, sagte der Major. Die Mädchen kamen allmählich zurück; er spürte, dass mehrere von ihnen dem Gespräch lauschten.
»Ich hatte gehofft, Sie könnten mir mehr über sie erzählen«, sagte Amina. »Ich wollte nämlich zu ihr. Ich habe gehört, dass sie eine Teilzeitkraft für den Laden braucht.«
»Wirklich?« Der Major konnte sich nicht recht vorstellen, wie Amina mit umgebundener Ladenschürze Raviolidosen stapelte und sich alten Damen gegenüber zuvorkommend zeigte. Andererseits – schlimmer als der sauertöpfische Neffe konnte sie auch nicht sein. »Mrs. Ali ist eine sehr nette Frau. Sehr guter Laden«, sagte er noch einmal.
»Auf lange Sicht ist das natürlich nichts für mich, Arbeit in einem Laden.« Der Major hatte den Eindruck, dass sie zu sich selbst sprach. »Und es geht nur in der Schulzeit, sonst müsste ich George mitnehmen.«
»Ich hoffe, Sie bekommen den Job«, sagte der Major. Er richtete den Blick auf die Tür und zog eine Augenbraue hoch, um einen imaginären Bekannten zu begrüßen, der gerade vorbeiging – einen unsichtbaren Alec, der ihm half, aus dem Raum zu entkommen. »Ich muss jetzt zu meinem Partner.«
»Könnten Sie uns vielleicht mitnehmen, wenn Sie fertig sind?«, fragte die junge Frau. Dem Major war klar, dass er antworten musste, er stellte jedoch fest, dass er keine Ahnung hatte, wie er eine so unverhohlene Bitte einer völlig Fremden parieren sollte. Er starrte Amina einfach nur an. »Mit dem Bus muss man von hier nach Edgecombe nämlich umsteigen«, fügte sie hinzu. »Wir müssten wahrscheinlich
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