Mrs Murphy 01: Schade, dass du nicht tot bist
über die Eisenbahnen?«
»Aus der Bibliothek. Es gibt dort ein Buch, eigentlich eine lange Monografie, über Crozets Leben. Da ich nicht den Vorzug habe, in Crozet aufgewachsen zu sein, dachte ich, ich hole das am besten irgendwie auf. Schade, dass die Züge hier nicht mehr halten.«
»Gelegentlich hält einer. Wenn du den Präsidenten der Chesapeake-Ohio anrufst und – als Fahrgast – einen Extrahalt forderst, müssen sie gleich neben dem Postamt beim alten Bahnhof für dich halten.«
»Hat das jemand in letzter Zeit mal getan?« Maude fand es unglaublich.
»Mim Sanburne letztes Jahr. Sie haben gehalten.« Fair lächelte.
»Ich denke, ich werd’s versuchen«, sagte Maude. »Jetzt muss ich aber wieder in meinen Laden. Erhalte dein Geschäft, und dein Geschäft erhält dich. Bye.«
Pewter rekelte sich auf dem Schalter, während Harry die Colaflaschen hinten in dem kleinen Kühlschrank verstaute. Mrs Murphy blieb in dem Postbehälter und hoffte auf eine neue Fahrt.
»Soll das ein Versöhnungsangebot sein?« Harry schloss die Kühlschranktür.
»Ich weiß nicht.« Und Fair wusste es wirklich nicht. Es war ihm im Laufe der Jahre zur Gewohnheit geworden, Harry Cola zu bringen. »Hör mal, Harry, können wir die Scheidung nicht auf anständige Weise hinter uns bringen?«
»Alles ist anständig, bis Geld ins Spiel kommt.«
»Du hast Ned Tucker engagiert. Sobald Anwälte ins Spiel kommen, ist alles Scheiße.«
»1658 erließ die gesetzgebende Versammlung von Virginia ein Gesetz, das alle Rechtsanwälte aus der Kolonie verbannte.« Harry verschränkte die Arme.
»Die einzige kluge Entscheidung, die sie je getroffen hat.« Fair lehnte sich an den Schalter.
»Sie wurde 1680 rückgängig gemacht.« Harry holte tief Luft. »Fair, eine Scheidung ist ein gerichtlicher Prozess. Ich musste mir einen Anwalt nehmen. Ned ist ein alter Freund von mir.«
»He, er war auch mein Freund. Hättest du dich nicht an eine neutrale Partei wenden können?«
»Wir sind hier in Crozet. Hier gibt’s keine neutralen Parteien.«
»Deswegen habe ich mir einen Anwalt in Richmond genommen.«
»Du kannst dir die Preise in Richmond leisten.«
»Fang nicht wieder mit Geld an, verdammt noch mal.« Fair klang gequält. »Eine Scheidung ist die einzige menschliche Tragödie, die sich aufs Geld reduziert.«
»Es ist keine Tragödie. Es ist ein Prozess.« In diesem Punkt war Harry dauernd von dem Zwang getrieben, ihm zu widersprechen oder ihn zu korrigieren. Ihr war das halbwegs bewusst, aber sie konnte sich nicht bremsen.
»Damit kann ich zehn Jahre meines Lebens in den Schornstein schreiben.«
»Nicht ganz zehn.«
»Verdammt, Harry, der Punkt ist, dass das Ganze keine leichte Sache ist – und es war nicht meine Idee.«
»Ach, spiel nicht die beleidigte Leberwurst. Du warst in dieser Ehe nicht glücklicher als ich!«
»Aber ich dachte, alles wäre bestens.«
»Solange du gefüttert und gefickt wurdest, dachtest du, alles wäre bestens!« Harry senkte die Stimme. »Unser Haus war für dich ein Hotel. Mein Gott, wenn du mal den Staubsauger in die Hand genommen hast, haben die Engel im Himmel gesungen.«
»Wir hatten kein Geld für ein Hausmädchen«, brummte er.
»Also war ich das Mädchen. Wieso ist deine Zeit kostbarer als meine? Herrgott, ich hab sogar deine Klamotten gekauft, deine Unterhosen.« Aus irgendeinem Grund war dies für Harry bedeutsam.
Fair schwieg einen Moment, um nicht die Beherrschung zu verlieren, und sagte dann: »Ich verdiene mehr. Wenn ich auf Abruf bereit sein musste, dann musste es eben sein.«
»Ach, weißt du, eigentlich ist mir das inzwischen ziemlich egal.« Harry ließ die Arme sinken und machte einen Schritt auf ihn zu. »Was ich wissen will, warst du … hast du … gehst du mit Boom Boom Craycroft ins Bett?«
»Nein!« Fair wirkte verletzt. »Das hab ich dir schon mal gesagt. Ich war auf der Party betrunken. Ich – okay, ich hab mich weiß Gott nicht wie ein Gentleman benommen … aber das ist ein Jahr her.«
»Ich weiß. Ich war dabei, erinnerst du dich? Ich frage, was jetzt ist, Fair.«
Er blinzelte, dann festigte sich sein Blick. »Nein.«
Während die Menschen einander beschimpften, sagte Tucker, die es satthatte, auf dem Fußboden von dem Katzentreiben ausgeschlossen zu sein: »Pewter, wir waren bei Kelly Craycrofts Betonfabrik.«
Pewter war plötzlich hellwach. Sie setzte sich auf. »Weshalb?«
»Wir wollten selber schnüffeln.«
»Wie kann Mrs Murphy was riechen? Sie trägt die Nase
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