Mrs Murphy 06: Tödliches Beileid
Tür.
»Wer ist da?«, rief Father Michael, als er das Klopfen vernahm.
»Rick Shaw und Deputy Cooper.«
Father Michael öffnete in Talar und Chorrock die Tür. »Kommen Sie herein, Sheriff, Miss Cooper.«
»Ich möchte Sie am Sonntag nicht stören. Ich habe nur ein paar kurze Fragen, Herr Pfarrer.«
Er winkte. »Treten Sie näher. Nehmen Sie einen Moment Platz.«
»Danke.« Sie traten ein und ließen sich auf das alte Ledersofa fallen. »Wir sind fix und fertig. Schlafmangel.«
»Ich habe auch nicht viel geschlafen …«
»Wurden Sie bedroht, Herr Pfarrer?« Ricks Stimme schnappte über vor Erschöpfung.
»Nein.«
»Ist Ihnen in Ihrer Eigenschaft als Schulgeistlicher von St. Elizabeth etwas Ungewöhnliches aufgefallen, zum Beispiel im Lehrerkollegium? Auseinandersetzungen mit Roscoe? Probleme mit dem Ehemaligenkomitee?«
Father Michael machte eine lange Pause, das schmale, aber attraktive Gesicht blickte ernst. »Roscoe und Sandy Brashiers waren sich nicht grün. Es gab aber keinen heftigen Streit. Sie haben nie gelernt, sich mit Meinungsverschiedenheiten zu arrangieren, falls Sie verstehen, was ich meine.«
»Ich denke schon.« Rick nickte. »Von der Unverletzlichkeit des Beichtgeheimnisses abgesehen, haben Sie Kenntnis von irgendwelchen sexuellen Unziemlichkeiten, die Roscoe betreffen?«
»Ah -« Der Pfarrer, ein Mann im mittleren Alter, machte wieder eine lange Pause. »Es gab Gerede. Aber das ist in einer kleinen Gemeinde immer so.«
»Wurden Namen genannt?«, fragte Cynthia. »Irene Miller vielleicht?«
»Nein.«
»Was ist mit Sandy Brashiers und Naomi Fletcher?«
»Davon habe ich gehört. Es wird gemunkelt, Naomi habe Roscoes Seitensprünge sattgehabt und seinen Feind – oder sollen wir sagen, Rivalen – angeheuert, um ihn loszuwerden.«
Rick stand auf. »Herr Pfarrer, danke, dass Sie uns Ihre Zeit gewidmet haben. Wenn Ihnen noch etwas einfällt oder Sie etwas loswerden möchten, rufen Sie mich oder Coop an.«
»Sheriff« – Father Michael wägte seine Worte ab –, »bin ich in Gefahr?«
»Das will ich nicht hoffen«, antwortete Rick aufrichtig.
41
April Shively wurde am Montagmorgen in der Schule verhaftet. Man legte ihr Behinderung der Justiz zur Last, weil sie sich strikt geweigert hatte, die Schulunterlagen auszuhändigen, zuerst an Sandy, dann an die Polizei. Da sie und Roscoe an einem Strang gezogen hatten, wusste nicht einmal Naomi, was April an Papieren entfernt und versteckt hatte. Sandy Brashiers kündigte ihr an Ort und Stelle. Als sie das Schulgebäude verließ, drehte sich April um und schlug ihm ins Gesicht. Cynthia Cooper schob sie in den Streifenwagen.
Die St.-Elizabeth-Schule, die bis auf das Lehrerkollegium verlassen war, stand verloren im heftigen Novemberwind. Sandy und Naomi beriefen eine Notversammlung des Kollegiums und interessierter Parteien ein. Keiner konnte die wichtigste Frage beantworten: Was ging an St. Elizabeth vor?
Reverend Herbert C. Jones erhielt einen haarsträubenden Anruf von Darla McKinchie. Nein, sie werde nicht zum Trauergottesdienst nach Albemarle County kommen. Sie werde den Leichnam ihres Ehemannes sofort nach Los Angeles überführen lassen. Ob der Reverend dies wohl mit dem Bestattungsinstitut Dale and Delaney arrangieren würde? Sie werde der Kirche eine stattliche Spende zukommen lassen. Natürlich sagte er zu, doch er war empört über ihr anmaßendes Gebaren und darüber, dass ihr so wenig an Maurys hiesigen Freunden lag, aber ihr schien ja auch wenig an Maury selbst gelegen zu haben.
Der schwarze Montag wartete von Stunde zu Stunde mit neuen Überraschungen auf. Jody Miller erfuhr, ja, sie sei schwanger. Sie bat Dr. Johnson, ihre Mutter nicht anzurufen. Er schlug ihr diese Bitte aus, weil sie noch minderjährig war, worauf sie im Sprechzimmer einen Tobsuchtsanfall bekam. Hayden McIntire, der viel jüngere Partner des Arztes, und zwei Sprechstundenhilfen eilten herbei, um Jody zu bändigen.
Als Irene Miller kam, war sie es merkwürdigerweise, die weinte, nicht Jody. Die Schande einer unehelichen Schwangerschaft machte Irene fix und fertig. Sie war infolge der Spannungen bei sich zu Hause ohnehin schon angeschlagen, und nun auch noch dies. Jody selbst schämte sich ihres Zustandes keineswegs, sie wollte bloß nicht schwanger sein. Larry riet Mutter und Tochter, sich auszusprechen, aber nicht in seinem Behandlungszimmer.
Um zwölf Uhr mittags wurde Kendrick Miller gegen eine Kaution von 250.000 Dollar in die Obhut seines
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