Mrs Roosevelt und das Wunder von Earl’s Diner: Roman (German Edition)
zu grinsen, damit sie wusste, dass er sie nicht ernst nahm. »Kleine, ich habe dir gesagt, du sollst mein Haus verlassen. Und glaub mir, du willst nicht erleben, dass ich es noch einmal sagen muss. Und jetzt verschwinde, bevor ich dich übers Knie lege und dir Manieren beibringe.«
Vondell hatte Clarice schon das Fürchten gelehrt, aber der Blick, den Odette ihm nun zuwarf, machte ihr fast genauso viel Angst. Odettes Augen wurden ganz schmal, und ihr Mund verzog sich. Sie neigte den Kopf, als würde sie ihn gleich mit dem Kopf voraus rammen wollen. Clarice konnte sehen, dass Odette, selbst wenn sie Vondell keine Angst einjagen konnte, ihn doch zumindest überraschte. Als er die Veränderung in ihrer Körperhaltung sah, wich er ein wenig vor ihr zurück, bevor er sich wieder im Griff hatte.
Odette, die nun lauter sprach, sagte: »Barbara Jean, möchtest du hierbleiben oder mit uns kommen?«
Zuerst antwortete Barbara Jean nicht. Doch dann, beinahe zu leise, als dass es irgendwer hören konnte, flüsterte sie: »Ich will mit euch gehen.«
»Gut«, sagte Odette, »damit ist die Sache entschieden. Sie kommt mit uns.«
Vondell redete nicht mit Odette, sondern richtete seine Aufmerksamkeit stattdessen auf Barbara Jean. Er stellte sich wieder neben sie, packte ihren Unterarm mit seinen großen Händen und zog sie halb aus dem Sessel hoch, aber auf so grobe Weise, dass sie zu Boden gefallen wäre, wenn er sie nicht mit festem Griff gehalten hätte. Sie stieß einen unterdrückten Schmerzensschrei aus, und Vondell knurrte: »Du sagst diesen Mädels jetzt besser, dass sie nach Hause gehen sollen, oder du bekommst echte Probleme. Ich hab schon deiner Mutter das hochnäsige Getue ausgetrieben, und bei dir kann ich das auch gern machen.«
Odettes Stimme wurde eine Oktave tiefer, und ganz langsam und deutlich sagte sie: »Wenn Sie keine gebrochene Hand haben wollen, dann lassen Sie sie jetzt auf der Stelle los.«
Clarice ließ sich mitreißen und gab nun auch ihren Senf dazu. »Sie kommt mit uns!«, rief sie und versuchte, so aufzutreten wie Odette.
Aber Clarice war nicht auf einem Baum zur Welt gekommen. Als Vondell ein paar schnelle Schritte in ihre Richtung machte, wich sie zurück und stieß vor Schreck einen spitzen Schrei aus. Auch Odette machte einen Satz, aber sie bewegte sich seitwärts und stellte sich zwischen Vondell und Clarice.
»Was willst du machen?«, fragte dieser gehässig. »Deinen Papa anrufen? Weißt du, ich hab mich umgehört, nachdem du das letzte Mal hier warst, und ich hab erfahren, er ist überhaupt kein Bulle. Soweit ich gehört habe, bist du dieses Kind, das in einem Baum geboren wurde und das angeblich vor nichts Angst hat. Vielleicht ist es ja an der Zeit, dass jemand dafür sorgt, dass du mal richtig Schiss kriegst.« Er kam näher auf sie zu und schob sein Kinn vor.
Odette entfernte sich von ihm und ging zu Clarice, die schon an der Tür stand und den Knauf umklammerte, bereit jeder Zeit zu entwischen. Vondell lachte und meinte: »Braves Mädchen. Lauf nach Hause.« Dann, an Clarice gerichtet, sagte er: » Du kannst gerne irgendwann mal wiederkommen, Süße. Aber lass die verrückte, fette Schlampe zu Hause.«
Ein paar Schritte von Clarice entfernt blieb Odette stehen, riss sich die Perücke vom Kopf und warf sie ihr zu. Clarice fing sie reflexartig auf und sah dann fassungslos zu, wie Odette wieder herumfuhr und sagte: »Clarice, mach mir den Reißverschluss auf.«
Als Clarice nichts erwiderte und auch nicht tat, was Odette ihr geheißen hatte, sagte sie es noch einmal: »Mach den Reißverschluss auf. Ich habe zu viel Zeit in dieses Kleid investiert und werde es mir sicher nicht mit dem Blut dieser Arschgeige hier versauen.«
Sie heftete ihren Blick auf Vondell und sagte: »Sie haben recht, was mich betrifft. Ich bin das Mädchen, das in einem Baum geboren wurde. Und Sie haben auch recht, was meinen Vater betrifft. Er ist kein Bulle. Aber er war Meister im Weltergewicht bei den Golden Gloves von 1947. Und er hat mich von klein auf gelehrt, wie ich mit Idioten umzugehen habe, die mir Angst einjagen wollen. Also bedanke ich mich lieber jetzt, solange Sie noch bei Bewusstsein sind, dafür, dass Sie mir die Gelegenheit geben, einmal etwas von dem Spezialtechniken, die mir mein Vater für Situationen wie diese beigebracht hat, demonstrieren zu dürfen. Und jetzt, Clarice, mach mir den Reißverschluss auf, damit ich diesen Drecksack voll Dummheit ein für alle Mal erledigen kann.«
Mit
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