Muenchen Blues
zeigte den beiden, über welch staunenswerten Antritt ein alter Mercedesbus noch verfügte, und bretterte ins wattige München zurück.
18
Als ich meinen Laden betrat, wusste ich auf Anhieb, dass er da war. Ein Testosteronlüftchen durchwehte meine Räume. Es roch, als hätte sich dieser Moschusochse mit seinem Pornoheft bei mir vergnügt. Auf den zweiten Blick bemerkte ich, dass Traublinger auf ziemlich grobe Weise meinen Laden gefilzt hatte. Auch noch ungeschickt, womöglich vorsätzlich. Eine schöne Vase mit Goldrand war zerdeppert. Ich stand da und überlegte. Da hörte ich draußen im Hinterhof ein Rascheln. Ich schnappte meinen Totschläger und rannte hinaus. Eine massige Gestalt hastete aus der Einfahrt und bog nach rechts in die Fleischerstraße ein. Sofort machte ich mich an die Verfolgung. Traublinger verschwand in der Ruppertstraße. Ich lief hinterher. Anfänglich sah es so aus, als könnte ich ihn einholen. Auf Dauer erwies sich jedoch, dass er ein gut trainierter Läufer war. Ich verlor mehr und mehr an Boden, außerdem ging mir die Puste aus. Beim Viehhof musste ich ihn dann ziehen lassen, ich hatte kein Chance gegen ihn.
Stinkwütend trottete ich zurück und kickte Steine vor mir her. Am Südbahnhof landete ich dann doch noch einen Glückstreffer. Er hatte seinen BMW dort abgestellt. Ich erinnerte mich genau an das Geschoss, mit dem er damals davongebraust war. Als Erstes trat ich ihm die Scheinwerfer und den Kühlergrill ein, dann sprang ich beidbeinig auf seine Motorhaube. Schlagartig war mir wohler. Man muss Stress auch mal abbauen können. Und wo, verdammt noch mal, kommen wir denn hin, wenn mir jeder dahergelaufene Peinsack ungestraft die Wohnung auf den Kopf stellen darf? In diesem Moment dröhnte ein Güterzug heran. Der Lärm warohrenbetäubend. Ohne auch nur einen Moment nachzudenken, schrie ich wie besessen, ein Schrei, als stünde ich auf dem von mir erlegten Mammut. Mit einem Sprung von der Kühlerhaube kehrte ich in die Zivilisation zurück. Pfeifend ging ich nach Hause.
Zu Hause brachte ich meinen Laden in Ordnung. Die Vase war zu Bruch gegangen, meine Schubladen waren durchwühlt und meine Ware stand kreuz und quer. Aber das war nichts, was ich nicht in einer guten Stunde wieder geradebiegen konnte.
Anschließend löschte ich sicherheitshalber alle Lichter und setzte mich mit einem Weißbier und paar Zigaretten in die Jugendstilottomane, die ich im Laden stehen hatte. Von dort aus hat man die Straße gut im Blick. Aber alles blieb ruhig. Ich dachte darüber nach, was das alles zu bedeuten hatte. Außer einem Verdacht, der sich mit meiner zunehmend stärker werdenden Müdigkeit verwob und diffus wurde, wollte mir heute Abend freilich nichts mehr durch den Kopf gehen. Klar war nur, dass ich auf der Hut sein musste, wenn ich Traublinger das nächste Mal über den Weg laufen würde. Er aber auch.
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Ich schlief gut und lange in den Sonntag. Zuallererst musste ich in die Bäckerei. Julius hatte meine Schränke gründlich geplündert, die Vorratshaltung lief auf Reserve. Bei dieser Gelegenheit nahm ich mir auch eine Wochenendzeitung mit. Ich trank Kaffee, tunkte Hörnchen und blätterte in der Zeitung. Die Todesanzeigen gehörten gewiss nicht zu meiner bevorzugten Lektüre, aber der Name Bärnbichl sprang mir sofort ins Auge. Seine Beerdigung war für Dienstag auf dem Waldfriedhof angesetzt. Mir war klar, dass ich da hin musste.
Ein schwarzer Anzug war nicht angezeigt, man würde vermutlich nur auffallen. Wenn ich den Dresscode richtig auffasste, war ich mit einer schwarzen Jeans und der dazu passenden Lederjacke bestens ausgerüstet. Ich steckte auch eine Sonnenbrille ein, die die Augen auch seitlich verdeckte, nicht etwa, weil ich vorhatte zu weinen, sondern weil ich die Möglichkeit haben wollte, die beim Begräbnis Anwesenden unauffällig zu beobachten.
Ich fuhr zum Lorettoplatz und machte mich Richtung Aussegnungshalle auf, die ein Stück vom Eingang entfernt liegt. Auf dem Kiesweg vor mir stöckelte ein Mordsweib. Sie trug einen schwarzen Mantel mit ausladenden Schulterpolstern. Die Idee dieser Schaumgummimassen war, den ganzen Rest unterhalb optisch schrumpfen zu lassen. Dabei gerieten alle Proportionen derart aus den Fugen, dass sie wie die Schwester von Rübezahl aussah. Ihre Haare waren in Zotteln blondiert und zu einer Löwenmähne aufonduliert. Ich musterte sie, als ich an ihr vorbeiging. Sie reagierte sofort.
– Kennen wir uns?
Ich schüttelte den Kopf.
– Aus dem
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