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Muenchen Blues

Titel: Muenchen Blues Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Bronski
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Schwabinger Herzerl?
    – Ich gehe nicht ins Puff.
    Sie lachte. Aus ihrer Handtasche zog sie eine Zigarettenschachtel und bot mir eine an.
    – Achtung, Friedhof, sagte ich.
    – Du meine Güte. Streng verboten, oder?
    Sie steckte alles wieder in ihre Handtasche zurück.
    – Aber zum Adi gehst du?
    – Genau.
    – Alleine?
    Ich schaute sie verständnislos an. Ihr Gesicht war leicht aufgedunsen, mit tiefen Falten. Ihre Jackettkronen mochten früher mal ein Vermögen gekostet haben, inzwischen hatte sie diesen Vorbiss der in die Jahre gekommenen Konstruktion. Trotzdem war ihr Lächeln reizend. Sie beugte sich vor, um mich ins Vertrauen zu ziehen.
    – Ich bin ja nicht mehr aktiv. Und heute sind sie wahrscheinlich alle da. Da wirst du leicht dumm angeredet. Muss ich nicht haben. Wir sagen einfach, du bist mein Freund. Was meinst du?
    Etwas Besseres konnte mir gar nicht passieren. Mit ihr zusammen war ich perfekt getarnt. Ich bot ihr meinen Arm und ging mit dem Riesenweib weiter, das neben mir so schwankend vorwärts stöckelte, als machten wir bei stürmischer See unsere Deckrunde.
    – Der Adi und ich, wir waren ja ein paar Jahre beieinander. Ein Mordskerl, viel zu viel Kraft, aber im Endeffekt …
    – …ein armer Teufel, sagte ich, Enrico Malter zitierend.
    – Genau. Aber zur Beerdigung muss man dann schon hin, oder? Ich heiße übrigens Lilo.
    – Gossec.
    – Ist das dein Spitzname?
    – Vor-, Zu-, Spitz- und Rufname. Alles in einem.
    – Und was hast du mit dem Adi gehabt?
    Hinter uns waren schwere, klirrende Schritte zu hören. Dann passierten uns zwei eher kleine, pummelige Männer in schwarzen Ledermänteln und spitzen Stiefeln, die mit Silberkettchen verziert waren. Sie trugen Schlapphüte und wirkten, als kämen sie direkt vom Zorro-Casting.
    – Servus, Lilo, sagte der eine und legte die Hand an den Hut.
    Sie ließen uns rasch hinter sich, weil ein ausgreifender Schritt einfach zu ihrer Ausstattung gehörte. Zorros tippeln nicht.
    – Wer war denn das?, fragte ich.
    – Die Zwillinge aus Augsburg. Die Rote Laterne gehört denen. Wie sie wirklich heißen, weiß ich nicht, bei uns liefen die immer nur als Mick und Muck.
    Dann beugte sie sich zu mir hinüber, um mir ins Ohr zu flüstern.
    – Mick Fick und Muck Fuck. Aber das darfst du denen nicht ins Gesicht sagen.
    – Bin ich lebensmüde?
    Wir betraten die Aussegnungshalle und setzten uns in die letzte Bank. Ich schaute mich um. Auf den Bänken verteilt waren Figuren, die jedem Gangsta- oder Pimp-Video ein naturalistisches Dekor gegeben hätten. Aber man musste keine große Fantasie haben, um zu verstehen, dass hier nur ein Häuflein chronisch getunkter Underdogs und Zombies mit ein paar aufgedonnerten Weibern herumsaß. Nicht einer von denen hatte das Format eines Hintermanns. Ein einzelner grauer Lodenmantel war auszumachen. Sein Träger hatte so ein breites Maul wie Ernie.
    – Kennst du den?, fragte ich Lilo.
    – Hm. Ist das nicht dieser Rechtsanwalt?
    Genau, das konnte Zwicklhuber sein. Aber wegen ihm hätte ich nicht hierherkommen müssen, seine Adresse hatte ich zu Hause liegen.
    Der Kaplan, der die Trauerrede hielt, machte ein nervösen Eindruck. Wahrscheinlich hatte man gedroht, ihn an Ort und Stelle per Kanzelschuss zu erledigen, wenn er ein falsches Wort sagen würde. Er stopselte etwas zusammen von Adi, dem Sportler, dem olympischen Geist und Petrus, der den Herrn auch mehrfach habe handgreiflich verteidigen wollen. Einen Sinn ergab das nur, wenn man annahm, dass Petrus nicht Papst, sondern eigentlich Catcher werden wollte. Schwitzend schaute er immer wieder in die zweite Reihe, wo ein gefährliches Trio saß: ein irgendwie transsilvanisch wirkender Grobian mit pechschwarz gefärbtem Resthaar und einem bösartigen, alkoholzerklüfteten Gesicht, ein Alter mit Blähwampe und nikotinverschliertem Reptilblick und ein junger Türke in Ballonjacke. Fragend sah ich Lilo an.
    – Mit denen hat er immer mal wieder zusammengearbeitet.
    Ein Schlägertrupp also.
    Ich war froh, als Adi endlich in der für ihn bestimmten Grube versenkt war und jeder sein Schäufelchen Erde hinuntergeworfen hatte. Als dann die Zeremonie beendet schien, trat das Schlägerreptil vor und sagte, man wolle noch gemeinsam Adis Lieblingslied anstimmen. Gott sei Dank war der Herr Kaplan bereits verschwunden, denn sie intonierten in kneipengestähltem Gröhlgesang »Wir lagen vor Madagaskar und hatten die Pest an Bord«. Jetzt war es wirklich genug. Ich packte Lilo am Arm, und wir

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