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Muenchen Blues

Titel: Muenchen Blues Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Bronski
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zetern.
    – Weg! Raus mit dir. Ich will nichts, ich zahle nichts.
    Ich packte ihn am Bart und zog ihn zur Kiste hinunter.
    – Schau dir das mal an.
    Er nahm ein Buch heraus, las das erste Gedicht mit den Hähnen, die vor Hohen Tauern auern, und haute mir das Buch auf den Schädel.
    – Bist du jetzt irre, Gossec?
    – Absolut nicht. Pass auf …
    Ich griff in die Tasche, holte hundert Euro heraus und bügelte ihm den Schein auf die Theke. Zum ersten Mal glomm in seinen Augen etwas auf, was sich als verlegerisches Interesse deuten ließ.
    – Jedem, der ein Buch bei dir kauft, gibst du einen Gedichtband gratis mit, okay?
    Er langte nach dem Schein. Ich griff noch einmal in seinen Vollbart und zog ihn zu mir heran.
    – Das sind die Gedichte meines Großonkels. Wenn du das versaust, kommst du in die siedende Hölle.
    Er zuckte die Achseln.
    – Und wenn ich dir draufkomme, setzt es eine Tracht Prügel.
    Wir waren handelseinig, und Opi wäre über mein kluges Vertriebskonzept glücklich gewesen.
    So hatte ich also auch diese heikle Geschichte mit Anstand hinter mich gebracht. Inzwischen war es Nachmittag geworden, und ich musste mich nun endlich um meine andere Baustelle kümmern. Ich fuhr direkt zu Zwicklhuber in die Nördliche Auffahrtsallee.

22
    In Zwicklhubers Kanzlei kam ich ohne Umschweife zur Sache. Ich sagte der Sekretärin, dass ich mit ihm einen Termin vereinbart hätte und nun vorgelassen werden wolle. Frau Dennerlein blätterte fassungslos in dem großen Kalender und jammerte.
    – Da steht nix. Ich finde nix.
    – Mündlich reicht doch auch, sagte ich.
    – Aber das kann doch gar nicht sein. Wo er doch jeden Mittwoch in der Sauna ist.
    – Heute auch?
    – Ja freilich. Im Müllerschen Volksbad. Jeden Mittwoch. Vielleicht, dass Sie sich doch getäuscht haben?
    Ich bedankte mich und ging. Wenigstens wusste ich jetzt, wo er war. Ein paar Runden Sauna und Dampf würden auch mir guttun, und nackig konnte man sich ohnehin freier miteinander unterhalten. Keine Konventionen, keine Standesunterschiede, jeder mit dem gleichen desinfizierten Handtuch der Stadtwerke.
    Das Müllersche Volksbad liegt direkt an der Isar gegenüberdem Deutschen Museum. Ob vor allem hygienische Gründe den Ingenieur Müller dazu bewogen haben mochten, der Bevölkerung ein Luxusbad im feinsten Jugendstil zu spendieren, weiß man nicht. Jedenfalls konnte der Münchner im Keller seinen Dackel abspritzen und anschließend ein Stockwerk höher das Wannen-, Brause- oder Schwitzbad besuchen. Die Idee eines Gleichklangs von Mensch und Bauwerk beherrschte die früher nach Geschlechtern getrennten Schwimmhallen: Während der Herr seine Körperlichkeit in dem ihn überspannenden Tonnengewölbe wiedererkannte, wurde die Dame in dem anmutigen Kuppelgewölbe mit einer Hommage an ihre weiblichen Formen geehrt.
    Ich nahm mir eine Kabine und checkte ein. Da ich Zwicklhuber nicht auf Anhieb entdecken konnte, setzte ich mich in die Sauna. Über mir lagen zwei junge Kerle, der eine muskulös, mit Dornenkranz-Tätowierung um den Oberarm und einem späten Sven-Väth-Bartspoiler am Kinn, der andere moppelig mit so exakt platzierten Schweißperlchen auf dem Bauch, dass er aussah wie ein Sesambrötchen. Dass wir nun zu dritt waren, hielt sie nicht davon ab, sich weiter ihrem Thema zu widmen. Genau genommen war es kein Thema. Worüber sich zwei Männer niemals unterhalten sollten, wenn sie bei gutem Verstand sind, ist ihr gemeinsamer Lieblingsfilm. Wenn sie aber nun auch noch wie die beiden Knaben auf der Holzbank daran gingen, ihre Passion auszupinseln, so musste sich ein unbeteiligter Dritter wie ich in die geschlossene Hirnversehrtenanstalt versetzt fühlen.
    – In der Szene da, wo der Stuhl umfällt, kommt er rein …
    Auf diese Andeutung des Sven-Väth-Darstellers hin lachte sich das Sesambrötchen bereits einen Ast.
    – … und macht ein Gesicht …
    Noch mehr Heiterkeit, die so überwältigend war, dass nun auch dem Erzähler neben dem Schweiß die Tränen kamen und er nicht mehr weiterkonnte.
    – Wahnsinn!
    – Wie er da so schaut, Wahnsinn!
    Wieder war die beidseitige Freude riesengroß.
    – Vorschlag zur Güte, sagte ich. Wenn ihr euch weiter aufgeilen wollt, da hinten wäre die Toilette. Abschließbar. Da könnte ihr euch echt einen runterholen, ohne anderen auf den Senkel zu gehen.
    Das Sesambrötchen blieb wie vom Donner gerührt liegen. Der andere sprang hoch. Ich stand aber schon.
    – Okay, sagte ich, probier’s.
    Dann war Ruhe. Die beiden

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