München Manhattan #1
Ärger am Hals.
„Ich weiß das hört sich jetzt sehr merkwürdig an, aber ich hatte damals Mitleid mit ihr. Die einsame, reiche, von keinem geliebte junge Frau. In gewisser Weise konnte ich mich mit ihr sogar identifizieren. Ich fühlte mich auch ungeliebt und verstoßen.
Und so hat dann eine Hand die andere gewaschen: Ich war Charlottes Alibi in der Stalking Sache und die Anklage wurde fallengelassen. Im Gegenzug hat Charlotte mir einen Neustart in München ermöglicht – mit sehr viel Geld.“
„Sophie! Wie konntest du nur!“ Kristin ist fassungslos. „Warum hast du denn nicht bei Peter und mir Hilfe gesucht? Wir sind doch deine Freunde.“
Wo ist mein Mann da reingeraten? Ob Charlotte ihn jetzt auch verfolgt?
Die beiden Frauen schauen sich schweigend an. Nach ein paar Minuten unterbricht Kristin das Schweigen. „Aber Sophie, ich verstehe trotzdem nicht, warum du mir nicht sagen konntest, dass du die Geliebte meines Mannes kennst.“
Sophie greift sich verzweifelt durch ihre Locken. „Ich habe mich nicht getraut. Und dafür schäme ich mich. Es tut mir so leid Kristin.“
Sophies Handy piepst . SMS von Susanna.
HAST DU ROBERT SCHON
ERREICHT?
***
SORGE UM ANNA
MÜNCHEN. SONNTAG 19 UHR
Susanna sinkt erschöpft in das ungemütliche Krankenhausbett. Es ist Sonntagabend. Kristin ist auf dem Weg nach New York und Sophie ist soeben in ihre Wohnung gefahren. Wie lieb von ihr auch heute noch mal vorbeizuschauen. Die Gala und das neue Buch von Marian Keyes hatte sie auch mitgebracht. Ihre aktuelle Lektüre, die Biographie von Hillary Clinton, war einfach zu anstrengend für eine Mutter, die mit ihrem Kind stationär liegen muss. Und das war das einzige Buch, das sie in der Handtasche gehabt hatte.
Eigentlich ist Susanna immer noch sauer auf Sophie. Kristin hat ihr zwar gesagt, dass Sophie ihr die ganze Geschichte erklärt und sich entschuldigt habe. Nach Susannas Ansicht rechtfertigt das allerdings noch lange nicht Sophies Verhalten. Aber im Moment hat sie keine Kraft, darüber näher nachzudenken.
Ihre Tochter liegt ihr jetzt zugewandt in dem benachbarten Bett. Ein Glück sind sie in einem Einbettzimmer. Die Zusatzversicherung, auf die sie für die Kinder bestanden hat, zahlt sich jetzt aus.
Annas Augen sind geschlossen. Mit ihrer linken Hand streichelt Susanna vorsichtig den Kopf ihrer Tochter, während ihre rechte versucht, das ungemütliche Kissen so zwischen Nacken und Schulter einzuklemmen, dass sie gleichzeitig auf ihrer Seite liegen und ihre Tochter beobachten kann.
„Anna, Anna, meine Süße. Bitte schlaf‘ dich gesund“, flüstert Susanna verzweifelt.
Die Diagnose am Freitagabend hatte nach der Kernspintomographie gezeigt, dass Anna eine schwere Gehirnerschütterung hat. Ruhen soll sie. Und Flüssigkeit müsse sie zu sich nehmen. Die Ärzte sagten zwar unisono, dass es höchstwahrscheinlich nur eine Frage der Zeit sei, bis sich Annas Körper wieder erholt. Allerdings könne man im Moment eine Gehirnblutung noch nicht ausschließen.
Das Telefon klingelt. Das ist bestimmt Robert! Susanna macht die Augen zu und greift sich mit der rechten Hand an die Nasenwurzel – wie immer, wenn sie sich unwohl fühlt. Sie erinnert sich an den vorigen Tag und möchte eigentlich gar nicht mit ihrem Mann sprechen.
Robert war erst am Samstagmorgen – einen Tag nach Annas Unfall – im Krankenhaus aufgetaucht. Bevor Susanna ihn fragen konnte, wo er eigentlich gesteckt hatte, war er auch schon auf sie losgegangen.
„Wie konnte das passieren, Susanna? Das gibt’s doch nicht!“
Er war richtig laut geworden. Und Susanna hatte nichts erwidern können. Einerseits war es ihr sehr unangenehm gewesen, dass sich Robert benommen hatte als sei er in seinem eigenen Wohnzimmer und nicht auf dem Flur eines Krankenhauses. Andererseits machte sie sich ja selbst furchtbare Vorwürfe. Robert hatte geschrien: „Sophie, Kristin – das geht mir langsam echt auf die Nerven. Hast du nichts Besseres zu tun als den ganzen Tag mit denen rumzuglucken ? Bei diesen Kaffeeklatschrunden könntest du wenigstens ein bisschen mehr auf die Kinder achten. Was Unnötigeres gibt’s ja wohl nicht!“
„Spinnst du, Robert? Hörst du bitte auf zu schreien? Das ist mir sehr peinlich.“
„Ich darf ja wohl noch …“
„Nein, Robert“, hatte Susanna gezischt und Robert vom Flur weg ins Krankenzimmer gezerrt. Anna hatte bewegungslos dagelegen. Beim Anblick seiner Tochter war auch Robert ganz schnell still geworden
Weitere Kostenlose Bücher