München Manhattan #1
bitte. Ich wollte dich nicht verletzen. Ich dachte einfach, Peter ist sicher vor ihr, weil er dich so liebt. Ich dachte, er macht so etwas nicht. Wo er doch dich hat.“
Kristin rollt eine große Träne über die Wange. Sie wischt sie zornig mi t ihrem Handrücken weg und sagt: „Das dachte ich auch. Aber das ist hier nicht der Punkt, Sophie. Deine Lügerei. Damit komme ich nicht klar. Das musst du mir erklären.“
Sophie schweigt und blickt gedankenverloren auf ihre Hände. Dann blickt sie mit einem Schlag abrupt auf und hält Kristins forderndem Blick stand.
„Es ist kompliziert. Ich habe vor Jahren etwas sehr dummes gemacht, und das hatte etwas mit Charlotte zu tun. Das habe ich vorhin versucht Susanna zu erklären und darüber hat sie sich so aufgeregt, dass sie wutentbrannt meine Wohnung verlassen hat. Und die arme Anna hat sie hinter sich hergezogen. Es ist alles meine Schuld.“
Kristin sieht sie verständnislos an. „Was ist deine Schuld? Jetzt sag schon Sophie. Oder willst du immer noch nicht mit mir reden?“
„Damals in New York, als mein Mann mich verlassen hat. Da hat mir Charlotte geholfen. Ich war so allein und so verzweifelt und da …“ Und Sophie beginnt zu erzählen:
„An dem fürchterlichen Herbstabend vor fünf Jahren hat mein Ex-Mann mir die ausgeräumte Wohnung hinterlassen. Charlotte war wie der rettende Engel aufgeschlagen und hat alles in die Hand genommen. Sie hat organisiert, dass die Kinder damals bei einer befreundeten Familie übernachten, und wir beide sind in ein kleines Lokal in den Meatpacking District gegangen.
Sie hat meine Hand gehalten und einfach zugehört. Und dann, im Laufe des Abends, hat sie angefangen zu erzählen. Von ihrer Kindheit. Von den Eltern, die sie immer nur geduldet haben und der Schar von Kindermädchen, die sie großgezogen haben. Und von dem frühen Tod ihrer Eltern: Flugzeugabsturz im Privatjet. Sie hat von ihrer Einsamkeit als junges Mädchen berichtet, die außer einem fetten Trustfund sonst nichts auf der Welt besaß – keine Liebe, keine Familie. Am Ende des Abends hatten sich dann die Rollen getauscht: Es war an mir, Charlotte zu trösten. Vor allem als sie mir von der Vergewaltigung durch den Trustfund-Manager erzählt hat.“
Charlotte hatte in einer kalten emotionslosen Stimme erzählt, wie damals der als rechtlicher Vollstrecker ihres Erbes eingesetzte Trustfund-Manager ihre Naivität ausgenutzt hatte. Sie war damals erst 15 gewesen, völlig unerfahren in Sache Liebe und Sex. Sie hatte sich in ihrer Unschuld an jede tröstende Schulter gelehnt, die sich ihr bot.
Eines Tages hatte dieser Trustfund-Manager sie am späten Nachmittag zu einem weiteren Termin in seine altehrwürdigen Büroräume in den Financial District gebeten – ganz in der Nähe der Twin Towers. Charlotte hatte ihm selbstverständlich blind vertraut als er sie in den Konferenzraum am Ende des Flures bat.
Bevor sie überhaupt schalten konnte, hatte sich seine väterliche Umarmung in etwas ganz anderes verwandelt. Sie hatte sich dann irgendwann gewehrt und wohl auch ‚Nein!’ gesagt aber irgendwie sei sie auch wie erstarrt vor Schock gewesen.
Das war der Tag, an dem sich Charlottes Welt für immer verändert hatte. Sie war von einer Sekunde auf die andere keine naive junge Frau mehr gewesen. Sie hatte sich geschworen, dass kein Mann ihr jemals wieder so etwas antun könne. Männer würden von nun an nach ihrer Pfeife tanzen. Es folgten unzählige Eroberungen.
Nach einigen Jahren hatte ihr das aber nicht mehr gereicht – zu einfach verfielen ihr die Männer und sie setzte die Latte höher. Nun sollten es verheiratete, reiche und beruflich erfolgreiche Männer sein. So hatte sie sich auch Mr. O’Sullivan geangelt. Nach einer heißen Nacht, war er aber nicht weiter an einer Liaison interessiert gewesen, und das hatte Charlotte nicht verkraftet. Die nicht erwiderte Leidenschaft verwandelte sich bei ihr in Begierde und in Besessenheit. So war es dann zu der ganzen Stalking Affäre gekommen.
Charlotte hat diesen Mr. O’Sullivan durch ihr Stalking richtig fertiggemacht, und sie hatte ihn im Zuge ihrer Zerstörungswut – und einflussreich wie sie durch ihr ganzes Vermögen war – auch um seinen Job gebracht. Und so geriet O`Sullivan immer mehr in Bedrängnis. Das Ende vom Lied: Es war nicht nur der Job weg, sondern auch seine Familie und das Haus. Und da er nichts mehr zu verlieren hatte, zeigte er sie an. Charlotte hatte wegen dieser Sache damals richtig
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