Multi Kulti Deutsch - wie Migration die deutsche Sprache verändert
gehen an den Bahnhof (an für auf ), so in dem Motto ( in für nach ) etc.
Wer öfter mit der Deutschen Bahn fährt, kann sich davon überzeugen, dass der Gebrauch einer Präposition ganz beliebig wechseln kann, ohne dass die Kommunikation auch nur im mindesten beeinträchtigt wäre. Bemerkt habe ich mit der Zeit, dass ein Schaffner oft â¹seine⺠Präposition verwendet (und bei ihr bleibt).
â Der Interregio nach Potsdam fährt heute um 17.10 Uhr von / auf / aus / in / an / ab / à /Gleis 3.
Dies mag ein kurioser Extremfall sein. Er steht aber für eine unabweisbare Tendenz: Die Präpositionen im gesprochenen Deutschen erweitern ihren Radius, überlappen sich und können im Prinzip und im Einzelfall auch ausgetauscht werden. Dadurch schlagen sie zwei Fliegen mit einer Klappe: Die â¹Aufmerksamkeitâºwird von den Kasus und den Endungen abgezogen, und das Sprachbewusstsein wird peu à peu auf ein einfacheres Modell umgestellt: auf das Modell PRÃPOSITION PLUS X.
Ein Fazit
Die Präpositionen entfernen sich also ganz klar von ihren alten Verwendungen und marschieren auf das Terrain der vier deutschen Fälle. Sie verlieren an Substanz und erweitern ihre Funktionen: Es ist inzwischen ziemlich unerheblich, ob man sagt, der RechtsauÃen im FuÃball habe einen Abstand auf oder vor oder von seinem Gegenspieler. Ein ganz neues Forschungsfeld für die Linguistik. Für unser Thema ist aber noch etwas anderes zentral: Das einfache Faktum der Verwendungserweiterung und der Austauschbarkeit von Präpositionen bereitet die Sprechergemeinschaft allmählich darauf vor, dass diese Wortart in Zukunft auch Kasusfunktionen übernehmen und später den Kasus vielleicht irgendwann ganz ersetzen kann. Das Deutsche wird ohne Zweifel â¹präpositionslastigerâº. Darauf kommt es an, das ist der springende Punkt für den Sprachwandel. Die Neubewertung von Präpositionen dient so dem typologischen Umbau der Sprachstruktur.
Deshalb schwanken die Präpositionen im Neudeutschen so stark: Sie regieren ihre Kasus nicht mehr eindeutig, sie verblassen, sie werden untereinander ausgetauscht und erweitern ihren Funktionsbereich (â¹Kollokationâº). All das steht in engem Zusammenhang mit dem Abbau der Fälle, der offenbar verschiedene Stadien durchlaufen muss, was nicht von heute auf morgen passiert. Dies ist die Binnenseite des Deutschen. AuÃerhalb des Deutschen sind es die Balkansprachen, das Persische und auch das Englische, die hier mächtig einwirken â Sprachen, in denen Präpositionen schon eine überragende Rolle spielen.
Es könnte sein, dass das Modell/PRÃPOSITION + ALLZWECKKASUS/das typologische Endziel des ganzen Prozesses ist, das silent goal des Sprachwandels, wie es im Englischen oder Französischen schon erreicht ist. Auf dieses Ziel arbeiten die Kasusveränderungen möglicherweise insgesamt hin. Am deutlichsten war dies beim Genitiv, aber klar zu beobachten auch bei den anderen Kasus. Natürlich ist dies eine langfristige Angelegenheit, und niemand kann sagen, wann dieses Modell tatsächlich fest im gesprochenen (und später geschriebenen) Deutschen etabliert seinwird. Es ist eine Frage der longue durée und die ersten Zeichen stehen an der Wand. Zur Zeit jedenfalls haben wir die einmalige Gelegenheit, uns die Zwischenstadien, die Begleitprozesse und die Interimsergebnisse im Detail und mit eigenen Augen anzusehen. Interessant ist, dass Migranten und das Migrantendeutsch eindeutig dieses neue Modell favorisieren.
Migranten geben Präpositionen den Vorzug
Aus der Sprachgeschichte vieler Sprachen ist bekannt, dass Präpositionen für eine Zeit die Lasten der Kasussemantik übernehmen. Sie lösen die Aufmerksamkeit von den Fällen selbst ab und erzeugen jene grammatische Gemengelage, die man zur Zeit auch im Deutschen feststellen kann. Dadurch gewöhnen sich die Sprecher allmählich an die Vorboten eines neuen Modells, achten immer weniger auf die korrekten Kasusformen und entfernen sich immer weiter von dem alten Modell. So war es im Englischen, Bulgarischen und Persischen, den â¹Vorzeigesprachen⺠für diese Prozesse.
Viele Migranten von heute haben bereits als Muttersprache eine Sprache, die sich von dem alten Kasusmodell, wie es immer noch im Deutschen wirkt, weit entfernt hat. Darunter zählen Türken, Bulgaren und Rumänen, Kurden, Perser und Araber, aber auch
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