Mundtot nodrm
habe er Mosers Schreck gar nicht bemerkt, »deshalb wäre es für uns nützlich zu wissen, was der Grund des Gesprächs in dem Restaurant war.«
»Wie?« Moser räusperte sich verlegen. »Grund des Gesprächs? Es war freundschaftlicher Natur. Herr Wettstein kam an diesem Nachmittag – es muss ein Freitag im November gewesen sein – aus Berlin zurück und Enduro, ich meine, Herr Ollerich, hat sich einen Gedankenaustausch mit Politik und Wirtschaft gewünscht.« In Mosers Gesicht kehrte die Farbe zurück. »Als Manager von Bleibach wollte er wissen, wie die Stimmung auf der Gegenseite ist. Wir kennen uns alle schon lange.« Moser nahm wieder eine lässigere Sitzhaltung ein. »Und es ist doch das Wesen einer Demokratie, miteinander zu reden. Oder sollen wir uns bekriegen?« Moser runzelte die Stirn: »Bomben legen andere. Nicht wir.«
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Bleibach hatte den halben Sonntag auf der Couch verbracht, zwischendurch E-Mails und die Post gelesen und auch mal kurz mit Enduro Ollerich telefoniert. Einige Bitten um ein Interview lehnte er kategorisch ab. Zufrieden stellte er jedoch beim Surfen im Internet fest, dass die Zeitungen an den jeweiligen Kundgebungsorten sehr ausführlich über ihn berichtet hatten. Natürlich gab es bisweilen auch Kommentare, die wenig schmeichelhaft klangen und ihn mit den unvermeidlichen ›Stammtischparolen‹ in Verbindung brachten.
Dass es offenbar Probleme mit Konarek gab, nahm er nur am Rande zur Kenntnis. Er wollte sich jetzt nicht auch noch damit belasten. Schließlich war es Konareks ureigenste Idee gewesen, mit diesem Survival-Experiment Aufsehen zu erregen.
Während des eiskalten Montags, an dem der Frühling begann, feilte Bleibach an seinem Redemanuskript, das ohnehin nur aus einzelnen Stichworten bestand, an denen er sich entlanghangeln konnte. Am Abend stand eine Kundgebung in der Oberschwabenhalle in Ravensburg auf dem Programm und er wollte dort seine Vision von der Erneuerung des Staates hervorheben. Seit die Medienvertreter erkannt hatten, dass keine seiner Reden gleichartig war, lockte er immer neue Journalisten an – vermutlich stets auf der Suche nach negativen Äußerungen.
»Liebe Freunde«, fuhr Bleibach vor annähernd 5000 Zuhörern fort, »es gibt noch immer Medien, die behaupten, ich wolle eine Revolution herbeiführen. Auch wenn ich dies gebetsmühlenartig verneine, lauern sie nur darauf, mir staatsfeindliche, fremdenfeindliche oder Gedanken des Umsturzes in den Mund zu legen. Mir und den vielen Millionen, die ähnlich denken, geht es nur darum, ein festgefahrenes Gefüge wieder flottzukriegen. Wie einen Ozeanriesen, den die bequeme Mannschaft auf Sand gesetzt hat, weil sie die Strömungen nicht erkannt hat. Übertragen gesehen, geht es beim Staat um die Strömungen der Zeit. Um die Untiefen, die es zu umschiffen gilt. Aber solange sich der Kapitän und seine Mannschaft selbstgefällig bei Käpt’ns Dinner die Wampe vollschlagen und die Leichtmatrosen knechten und für sich arbeiten lassen, werden die Gefahren nicht erkannt. Es wird deshalb höchste Zeit, die Mannschaft auszutauschen und den Kurs neu zu bestimmen. Dazu gehören auch neue Spielregeln für jene, die dank ihres Geldes bisher glauben, die Richtung vorgeben zu können. Mich schaudert es, wenn ich mir vorstelle, welche Amateure in den Schaltzentralen der Regierung sitzen und blauäugig über milliardenschwere Rettungsschirme für dies und jenes entscheiden. Eine Finanzkrise jagt die andere, liebe Freunde. Und wir alle haben zurecht Angst davor, dass man mit einem einzigen Mausklick unser Erspartes vernichtet, damit jene gerettet werden, die uns ins Unglück gestürzt haben. Doch es gäbe eine Lösung, die gigantische Staatsverschuldung vollständig zu tilgen, ohne unser Währungssystem zu vernichten. Ein gewisser Professor Dr. Otto Gaßner von einem renommierten Bankhaus hat ein Papier entworfen, das sich ›Operation Rebound‹ nennt. Darin schlägt er eine einmalige Vermögensabgabe vor – und zwar fünf Euro für jeden Quadratmeter Land, den jemand besitzt. 1,8 Billionen Euro kämen auf diese Weise zusammen – und alle Grundbesitzer würden gleichmäßig dazu beitragen. Außerdem, so schlägt Gaßner vor, sollten von den Werteinlagen in den Depots zwischen 1 und zehn Prozent in diesen Lastenausgleich bezahlt werden. Mit einem Schlag wäre das Land schuldenfrei – und zwar ohne Währungsreform. Man könnte bei Null anfangen – doch dies, liebe Freunde, macht nur Sinn, wenn gleichzeitig
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