Mundtot nodrm
immer noch vergeblich auf konkrete Beispiele. Nennen Sie doch mal endlich Ross und Reiter. Zeigen Sie den Mut, hier und heute Namen und ganz konkrete Vorgänge aufzuzeigen. Entschuldigen Sie, aber Sie lassen eine schlüssige Argumentation vermissen.«
Bleibach ging nicht darauf ein. »Hinzu kommt«, fuhr er unbeeindruckt fort, »dass die Qualität der Medien zumindest in manchen Bereichen rückläufig ist. Das mag auch am Wildwuchs der Informationsflut durch die elektronischen Medien liegen. Seit jeder alles irgendwo reinschreiben kann, ungeprüft, ohne Quellenangabe, ist die Information nichts mehr wert. Wenn Sie bereit sind, all den Schrott, der täglich auf Sie einprasselt, als bare Münze zu nehmen, brauchen Sie keine seriösen Medien mehr. Wundert es einen dann, wenn die Medienhäuser unter angeblich wirtschaftlichem Druck, den ich im Übrigen angesichts der gigantischen Rationalisierungen der letzten Jahrzehnte nicht nachzuvollziehen vermag, nun auch den Qualitätsjournalismus infrage stellen? Bei manchen Beiträgen, die redaktionell sein sollen, verwischen die Grenzen zum Kommerz. Aber auch bei den Medien regeln Angebot und Nachfrage den Markt: Wenn’s dem Kunden egal ist, ob sich journalistische Beiträge und Werbung mischen – mein Gott –, dann reichen doch Anzeigenblätter mit seichten Beiträgen, einem Kreuzworträtsel, Horoskop und Sudoku aus, die Informationsbedürfnisse zu erfüllen.« Bleibach blickte jetzt mehr in die jeweils zugeschaltete Kamera als auf die Runde der Journalisten. Mühlheimer wurde unruhig und deutete eine Kopfbewegung in Richtung Studiouhr an. »Gestatten Sie, dass ich Sie unterbreche«, sagte er, »aber Sie sollten diese Sendung nicht dazu nutzen, nur lange Statements abzugeben.«
Bleibach lächelte charmant. »Verzeihen Sie, aber ich hatte beim bisherigen Verlauf dieser Veranstaltung hier wenig Gelegenheit, meine Argumentationen vorzutragen.« Er sah zu dem besonders kritischen Journalisten. »Herr Streitmann hat dies auf beeindruckende Weise eben erst kritisiert. Lassen Sie mich bitte noch eine Bemerkung anbringen, die mir am Herzen liegt und die mir trotz aller Kritik sehr, sehr wichtig ist: Die Menschen in diesem Land sollten wissen, dass die freie Presse ein wichtiger Bestandteil dieser Demokratie und damit ein sehr hohes Gut ist. Wenn die Qualität der Medien unter wirtschaftlichem Druck leidet, weil sich immer mehr Nutzer abwenden und glauben, ihr Informationsbedürfnis durch allerlei Internet-Plattformen und soziale Netzwerke oder sonstige Angebote befriedigen zu können, wird es keine seriöse Kontrolle der Regierenden mehr geben. Und davon bin ich zutiefst überzeugt: Dies beginnt bereits ganz unten, in den kleinsten Zellen unserer Demokratie, nämlich in den Gemeinderäten. Wenn eines Tages die Heimatzeitungen wegbrechen – und diese Gefahr besteht zuallererst –, dann wird es niemanden mehr geben, der den Kommunalpolitikern, den Bürgermeistern und Landkreisvertretern auf die Finger klopft. Ein rein auf Kommerz ausgerichtetes Anzeigen- oder Wochenblatt wird dieser Aufgabe nicht nachkommen. Und erst recht nicht das amtliche Verlautbarungsblatt aus dem Rathaus.« Bleibach war froh, dies in aller Öffentlichkeit darlegen zu können. Er nahm einen kräftigen Schluck Wasser.
»Wollen Sie mit diesem Plädoyer einen versöhnlichen Abschluss schaffen?«, fragte der Boulevard-Journalist, nachdem sich eine ungewohnte Stille breitgemacht hatte.
»Ich brauche keinen versöhnlichen Abschluss«, erwiderte Bleibach und spürte, wie ihm der Schweiß den Rücken hinunterlief. »Es war mir nur ein Anliegen, das gesamte Spektrum meiner Einschätzung der Medien zum Ausdruck bringen zu dürfen. Ich halte nichts davon, Themen nur häppchenweise anzusprechen.«
»Nur manchmal oberflächlich«, keifte die Frau, die als Einzige in der Runde ein Blatt Papier vor sich liegen hatte, was Bleibach bereits zu Beginn der Diskussion aufgefallen war. Jetzt nahm sie es zur Hand, als habe sie nur auf einen günstigen Moment gewartet. »Wenn Sie erlauben …« Sie wandte sich an Mühlheimer, »… dann möchte ich Herrn Bleibach mit etwas konfrontieren.«
Mühlheimer nickte zustimmend, während Bleibach sie anstarrte, als sei er aufs Schlimmste gefasst.
»Herr Bleibach«, begann die Journalistin und alle hingen an ihren Lippen, »unsere Recherchen haben ergeben, dass es da eine Gruppierung gibt, die sich ›Barbarossa‹ nennt.« Wieder ließ sie zwei, drei Sekunden verstreichen. Bleibach
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