Mundtot nodrm
gerissen.
Noch während er Häberle die Plastiktüte mit dem orange-weißgestreiften Inhalt auf den Tisch legte, spürte er, wie ihn der Besuch bei Joanna aufgewühlt hatte.
Der Chefermittler betrachtete das Beweismittel kurz und grinste den jungen Kollegen an: »Wie war’s?«
Linkohr war nicht in Stimmung, viel darüber zu erzählen. »Ziemlich scharfes Weib«, kommentierte er knapp. »Aber ob an der ganzen Story was dran ist, da hab ich meine Zweifel. Was bringt’s uns, wenn die Kriminaltechnik an diesem Rock DNA von Bleibach findet? Das kann in den vergangenen 15 Jahren bei allen möglichen Gelegenheiten geschehen sein.«
»Die Jungs in Stuttgart werden uns auch über das Alter der Spuren was sagen können, denke ich.«
»Selbst dann bringt es doch nichts, weil sie uns nicht erklären können, bei welcher Gelegenheit und unter welchen Bedingungen dies geschehen ist.«
Häberle nickte zustimmend. »Übrigens«, bemerkte er, »Baldachin und Ziegler haben eine Pressekonferenz anberaumt. Sander hat sich gemeldet.«
»Gibt’s denn was Neues?«
Der Chefermittler zuckte mit den Schultern. »Sie haben die Frau von Seifried vernommen, aber sie behauptet, keine Ahnung zu haben, wer auf ihren Mann geschossen haben könnte.«
»Und uns bleibt nur die Vergewaltigung?«, zeigte sich Linkohr enttäuscht.
»Was heißt ›nur‹? Wenn es da einen Anknüpfungspunkt zu Bleibach gibt – und davon bin ich überzeugt –, dann stehen wir auf der wichtigeren Seite.« Er war fest entschlossen, sich nicht ins Abseits drängen zu lassen. »Ich weiß inzwischen ein paar Dinge, ganz inoffiziell natürlich, aber zu denen würde Seifrieds Tod durchaus passen.«
»Ach«, staunte Linkohr und ahnte, dass der Chefermittler möglicherweise mit Brunzel gesprochen hatte. »Was hat Sie darin bestärkt?«
»Überlegen Sie doch mal, lieber junger Kollege, wo bisher alle Fäden zusammenlaufen. Bis hin zu Boris, dem Sohn von Seifried. Sie erinnern sich: Der junge Mann, der im Musical mitspielt.«
Linkohr musste kurz nachdenken. »Nahkampf«, fiel es ihm plötzlich ein.
»Bravo«, lobte Häberle. »Konarek. Bei ihm haben Seifried und Andy Ollerich zusammen ein Survival-Wochenende verbracht. Auch Seifried-Sohn Boris ist dort im Training – und gleichzeitig Darsteller im Musical, wo der seltsame Drohbrief aufgetaucht ist. Nun sag mir noch einer, das sei alles Zufall.«
Linkohr setzte sich lässig auf die Kante des Besuchertisches und ergänzte: »Ollerichs Bruder ist Bleibachs Manager. Stellt sich nur noch die Frage, welche Rolle dieser Joanna Malinowska zukommt.«
»Und wer von denen hat Seifried auf dem Gewissen?«, stoppte Häberle den Kollegen.
»Jemand, über den Seifried zu viel wusste«, konterte Linkohr.
»Andreas Ollerich? Oder Konarek?«, zählte Häberle einige Varianten auf. »Oder ein anderer aus Bleibachs Umfeld? Vielleicht sollten wir uns diese Personen genauer ansehen. Den Ollerich mit dem seltsamen Namen Enduro. Oder diese Anwältin, die er an seiner Seite hat.«
»Oder seine Freundin«, ergänzte Linkohr. »Wir wissen doch bisher recht wenig, welches Geflecht sich da ergibt. Brunzel wohl auch nicht, oder?«
Häberle presste die Lippen zusammen, ehe er sich dazu vorsichtig äußerte: »Sie kennen den Kollegen doch.«
Linkohr verstand, wollte dies aber nicht kommentieren.
»Und wie steht’s mit dieser Dame polnischer Abstammung?«, grinste Häberle. »Die Dame mit dem Röckchen.« Er deutete auf den Plastikbeutel.
Der Angesprochene suchte nach einer Formulierung. »Um ehrlich zu sein, Herr Häberle, der trau ich so ziemlich alles zu.«
»Alles?«
»Die kämpft mit allen Waffen.«
Häberle holte tief Luft. »Haben Sie womöglich schon welche zu spüren bekommen?«
Linkohr sagte nichts. Er haderte noch mit sich, ob er diesen Waffen ausweichen oder sich ihnen mannhaft entgegenstellen sollte.
67
»Gucken Sie sich das an«, grinste Häberle an diesem Vormittag, an dem das Wetter genauso trist war wie seit zwei Wochen schon. Er schob Linkohr die aufgeschlagene Tageszeitung über den Schreibtisch. »Der Sander hat wieder mal alle Register gezogen.«
Der Artikel über das Verbrechen in Geislingen ging über fünf Spalten und nahm nahezu die ganze Seite in Anspruch. Auf einem Foto war der Chef der Spedition zu sehen, der auf eine Stelle am Asphalt deutete, ein weiteres Bild zeigte einen Sattelzug. Die Überschrift war für das Heimatblatt ungewöhnlich groß und fett und sogar zweizeilig: ›Tödliche Schüsse:
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