Mundtot nodrm
ich fragen, wer die anderen waren?«
»Müsste ich in der Kartei nachsehen. Aber falls Sie Personen aus Herrn Bleibachs Umfeld interessieren, da fällt mir spontan nur eine ein. Und ich sag Ihnen, wer es ist, wenn Sie versprechen, Ihre Quelle für sich zu behalten.«
»Versprochen«, erwiderte Häberle.
»Es ist die Iris Eschenbruch. Die Leiterin von Bleibachs Berliner Hauptstadtbüro.«
Häberle war geplättet.
76
Es war einer der letzten Termine, die Bleibach vor seinem Abflug nach Australien wahrnahm. Das Team seines Berliner Hauptstadtbüros hatte Vertreter aller Kreis- und Ortsverbände zu einer Tagung nach Bonn eingeladen. Der Tagungsort war bewusst gewählt worden – zum einen, weil er einigermaßen zentral lag und zum anderen, um sich von den Regierenden in Berlin abzuheben. Das World Conference Center im ehemaligen Plenarsaal des einst neu gebauten Bundestags bot den Delegierten, die aus der ganzen Republik angereist waren, genügend Platz. Zu einer öffentlichen Veranstaltung, die auf den frühen Abend terminiert worden war, hatten sich mehr als 50 Radio- und Fernsehstationen sowie weit über 100 Journalisten der Printmedien angemeldet. Sie warteten gespannt auf Bleibachs Resümee, das er nach der nichtöffentlichen Tagung vor den Kameras und Mikrofonen ziehen wollte. Immerhin würde es das erste Mal sein, dass er vor den Delegierten der Ortsverbände auftrat. Nie hätte er es für möglich gehalten, dass sich so schnell so viele ehrenamtliche Funktionäre finden würden, um in allen 323 Landkreisen dieser Republik Fuß fassen zu können. Aber der Zulauf war ungebrochen – und schon gab es in jedem Bundesland Dachorganisationen. Auch das Spendenaufkommen wuchs täglich. Die Menschen waren bereit, ihren Obolus für eine gerechtere Welt beizutragen. Natürlich schalten ihn einige Medien als ›Sektenführer oder positionierten ihn gar in der Nähe des gerade erst ausgerufenen Fantasiestaates ›Germanitien‹, dessen Anhänger eine Weltanschauung verbreiteten, die sich an Bleibachs Idealen orientierte. Mochte es auch Parallelen geben, so betonte Bleibach aber immer wieder, dass er keinen neuen Staat ausrufen, sondern die Republik mit demokratischen Mitteln gerechter machen wolle.
Er hatte sich einen ganzen Tag Ruhe gegönnt, war an der Rheinpromenade gejoggt, hatte anschließend im Hotel heiß gebadet und sich dabei mental auf die Tagung vorbereitet. Er versuchte, alles hinter sich zu lassen, was die letzten Wochen an seinen Nerven gezerrt hatte. Heute war so etwas wie der Höhepunkt seiner monatelangen Kundgebungs-Tournee. Die Augen des ganzen Landes waren auf ihn gerichtet. Er durfte keine Schwäche zeigen, musste konzentriert sein, die Worte sorgfältig abwägen und alle Fallstricke erkennen, die ihm die Medien auslegen würden. Nicht auszudenken, wenn jetzt die Bombe mit der Vergewaltigungsanzeige platzen würde.
Umso zufriedener nahm er zur Kenntnis, dass der nichtöffentliche Tagungsteil in einer sehr harmonischen Atmosphäre verlief. Bereits als er den Saal betreten hatte, war Beifall aufgebrandet. Er hatte gewunken, Hände geschüttelt, sich für die herzliche Begrüßung bedankt und sich dann auf den reservierten Platz in der ersten Tischreihe gesetzt, wo ihn die Vorsitzenden einiger Landesverbände willkommen hießen. Er kannte sie längst nicht alle beim Namen, doch ließen die Tischkärtchen auf ihre Funktionen schließen. Als ihn Iris Eschenbruch, die den Vorsitz hatte, offiziell vom Rednerpult aus begrüßte, gab es minutenlang stehende Ovationen. Bleibach stand auf, verbeugte sich artig nach allen Richtungen und winkte mit beiden Armen. Weil der Beifall nicht enden wollte, versuchte die Vorsitzende, sich Gehör zu verschaffen: »Steffen Bleibach wird später persönlich zu Ihnen sprechen.« Noch immer Beifall, noch immer winkte Bleibach in die Menge. Dann entschied er sich, spontan einige Sätze zu sagen. Im Laufschritt spurtete er die Stufen zur Bühne hinauf, wo ihm Iris den Platz am Mikrofon freigab. »Liebe Freunde«, sagte er, »ich bin überwältigt. Ich danke euch allen, dass ihr gekommen seid. Dass ihr mich so fantastisch unterstützt habt. Ihr wisst, dass ihr das tut, um uns allen eine bessere Zukunft zu schaffen. Ich bin nur euer Sprecher – mehr nicht. Es geht nicht um die Macht eines Einzelnen, sondern um jeden von uns, vor allem aber ums ganze Land. Deshalb sind wir heute zusammengekommen. Nur wenn wir zusammenstehen, liebe Freunde, uns nicht
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