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Murray, Paul

Murray, Paul

Titel: Murray, Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: An Evening of Long Goodbyes
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als Entertainerin für die Marines auf. Ein
paar Tage später erfuhr sie, dass sie an Röteln erkrankt war.
    Ihre
Schwangerschaft hatte sie geheim gehalten, da die Studios die bei ihnen unter
Vertrag stehende Schauspielerinnen nicht weiterbezahlten, wenn sie schwanger
wurden. 1943 war der Zusammenhang zwischen Röteln in der Frühphase der
Schwangerschaft und Gehirnschäden bei Neugeborenen noch unbekannt.
    Gene hatte
im Oktober eine Frühgeburt. Das Mädchen, dem sie den Namen Daria gab, wog
zweieinhalb Pfund.
    Ein Jahr
später berichteten die Zeitungen über die Rötelnepidemie in Australien, die
anscheinend eine Generation von geistig zurückgebliebenen Kindern
hervorgebracht hatte, und Gene begann zu akzeptieren, dass ihr Kind
möglicherweise kein Spätentwickler war, sondern ernsthafte Probleme hatte.
Teure Spezialisten wurden konsultiert. (Die Kosten trug Genes alte Flamme
Howard Hughes, der sich später, durch einen Flugzeugabsturz entstellt, aus der
Öffentlichkeit zurückzog.) Sie sagten alle das Gleiche. Die Schädigung sei
schon im Mutterleib aufgetreten und könne nicht behoben werden. Das Beste für
alle Beteiligten sei, das Kind in einem Heim unterzubringen.
    Gene war
verwirrt und wurde von Schuldgefühlen gepeinigt. Hatte sie nicht immer
versucht, ein guter Mensch zu sein? Hatte sie nicht immer getan, was die Leute
von ihr verlangten? Was hatte sie getan, dass sie und die Menschen, die sie
liebte, eine solche Katastrophe heimsuchte? Sie wehrte sich, solange sie
konnte, aber sie war vierundzwanzig Jahre alt, und nach allem, was passiert
war, wurde der Druck jetzt zu groß. Daria wurde in einem Heim untergebracht, wo
sie mit dem Verstand eines neunzehnmonatigen Kleinkindes den Rest ihres Lebens
verbrachte.
    An einem
Sonntag Jahre später wurde Gene während einer Party eines Tennisclubs von einem
weiblichen Fan angesprochen. Die junge Frau war ein Ex-Marine. Sie sagte, sie
seien sich früher schon mal begegnet, während des Kriegs bei einer Show in der
Hollywood Canteen. »Kann es sein, dass Sie sich an jenem Abend mit den Röteln
angesteckt haben?«, fragte die Frau. Gene sagte ja. Die Frau lachte und sagte,
dass damals das ganze Militärlager Röteln gehabt habe, dass sie sich aber
trotz der verhängten Quarantäne davongeschlichen habe, um ihren Lieblingsstar
treffen zu können.
    Jeder
andere hätte einen Schreikrampf bekommen oder wäre auf die Frau losgegangen,
aber Gene, die dazu erzogen worden war, nett zu sein, lächelte nur und ließ die
Frau stehen.
    Danach, so
kam es mir vor, wurden die Filme, die sie drehte, zu einer Art Zufluchtsstätte
für Gene. Nicht die Arbeit oder die Drehbücher, sondern die Filme selbst.
Während die Treuebrüche ihres Mannes zunahmen, während die Geburt ihres Kindes
bewirkte, was die vereinten Kräfte von Eltern und Studios nicht erreicht hatten,
nämlich die langsame Auflösung ihrer Ehe mit Cassini, schienen die Filme zu den
Orten zu werden, wo sie sich verstecken, wo sie unsichtbar werden konnte. Zum
Beispiel The Ghost and Mrs Muir: Sie spielt
darin eine Witwe, die dem Geist verfällt, der in dem Landhaus umgeht, in das
sie eingezogen ist. Der Geist, gespielt von Rex Harrison, erregt ihre
Aufmerksamkeit erstmals in Form eines Porträts im Wohnzimmer - eine genaue
Umkehrung dessen, was in Laura passiert,
als der Polizist sich in ein Gemälde der ermordeten Gene verliebt. Menschen
verfallen Geistern, Menschen verfallen Gemälden, immer öfter fiel mir in ihren
Filmen diese verborgene Neigung auf: die Neigung, sich innerhalb der Filme
Räume für sich selbst zu schaffen, Zwischenräume der einen oder anderen Art;
als ob sie den Filmen, obwohl sie sie nicht zu den ihren machen konnte, einen
geheimen Pakt entlockte, wodurch sie sich in sie hineinflüchten und außerhalb
des realen Lebens existieren konnte, unberührbar, als Bild; als ob sie schließlich
ihre wahre Sphäre gefunden hatte - die der Illusion, des Schattenreichs, des
Dazwischen...
    »Charlie,
das ist der scheißlangweiligste Film, den ich in meinem ganzen Leben gesehen
hab.«
    ... obwohl
das in anderen Filmen gar nicht zum Tragen kam ...
    »Genau,
Charlie, außerdem fängt jetzt Hollyoaks an.«
    »Wie
wär's, Charlie, wenn du uns eben Hollyoaks anschauen
lässt, und dann kannst du ja das Ding da fertig gucken.«
    »He,
Charlie, ich weiß, dass du uns hörst, warum sagst du dann nichts? Charlie?«
    »Ach, Scheiße!
Weil ich weiß, dass ihr nach Hollyoaks Streetmate anschauen
wollt und danach Robot Wars und

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