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Murray, Paul

Murray, Paul

Titel: Murray, Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: An Evening of Long Goodbyes
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aufzugeben und für
ein Jahr nach Australien zu gehen. »Da drüben ist es fantastisch!«, sagte
Laura. »Stell dir bloß vor, Weihnachten am Strand! Wär das nicht irre?«
    »Warum
bist du dann nicht mitgegangen?«, fragte ich und wünschte mir allmählich, sie
wäre mitgegangen.
    »Ach, das
war wirklich traurig«, sagte sie schmachtend. »Eine Zeit lang war ich wirklich
traurig, ich hab ihn ja wirklich geliebt, er war so nett. Und so lustig, ein
richtiger Reißer...«
    »Ein was?«
    »Klar, ich
find's ja okay, dass er seinen Job schmeißt und mal ein Jahr lang irre viel
Spaß hat, aber ich habe Verpflichtungen. Ich wollte meine Kollegen im Büro
nicht im Stich lassen. Außerdem bin ich eine Frau.«
    Sie machte
eine Pause, mit der ich nichts Rechtes anzufangen wusste. Schließlich sagte
ich: »Ah ja?« Ich hoffte, mein Tonfall drückte Interesse, nicht Überraschung
aus.
    »Ja,
genau, also ich glaube, dass ich eine Verantwortung habe, mir selbst gegenüber
und auch gegenüber all den jahrelang unterdrückten Frauen, eine solide
Karriere für mich aufzubauen. Ich wollte das nicht aufgeben, nur wegen
irgendeinem Mann.«
    Ich trank
mein Weinglas in einem Zug aus und füllte es wieder auf. »Du glaubst, eine
Verantwortung gegenüber all den Frauen zu haben, denen man es verwehrt hat, in
der Versicherungsbranche zu arbeiten?«, fragte ich nach - nur für den Fall,
dass ich etwas nicht mitbekommen hatte.
    »Ja.« Sie
nickte vehement. »Und weißt du was, Charles? Die Entscheidung war absolut
richtig. Ich war so fertig wegen Todd, aber die Leute in der Firma, die waren
so nett zu mir. Die sind jetzt wie eine Familie für mich. Die Arbeit füllt mich
richtig aus, ich meine, ich kann mich jetzt als Mensch total verwirklichen.
Fast sofort danach bin ich befördert worden. Ich bin jetzt Teamleiter, obwohl
ich erst ein Jahr dabei bin. Am Anfang waren ein paar von den anderen Mädchen
neidisch. Die haben gedacht, das wäre bloß so schnell gegangen, weil ich in
Holy Child war. Aber jetzt sind wir die besten Freunde und ein wirklich gutes
Team und haben irre viel Spaß.«
    »Gratulation«,
sagte ich schnell. »Ich frage mich, ob wir nicht langsam...«
    »Und ich
krieg jetzt einen Wagen und ein Handy, und wenn ich meinen Bonus schaffe, dann
ist da noch diese fantastische Wohnung, in die ich vielleicht einziehen will,
zusammen mit einer Kollegin. Ist zwar eine üble Gegend, aber die haben da Wachmänner
und Elektrozäune, das geht dann schon. Mein Job ist wirklich toll. Auch wenn
ich Bel ein bisschen beneide, so als Schauspielerin, und man hat immer so viel
freie Zeit und so, aber ich mag einfach die Sicherheit und die Karrierechancen
und so, außerdem ist auch das Urlaubsgeld wirklich gut...«
    »Apropos
Urlaub«, hakte ich verzweifelt ein. »Wo warst du im Urlaub? War's schön?«
    »Und wie!«
Ihr Gesicht leuchtete auf, und schließlich zog sie die Jacke aus und stützte
sich mit den Ellbogen auf den Tisch. »Also, ich war mit ein paar Mädchen aus
dem Büro in Griechenland. Gott, war das irre, wir haben da diese Typen
getroffen, eine ganze Horde Iren, die waren echt irre. Also, es war Tequila
Night, wir waren in so einem irischen Pub, also nur wir Mädchen erst, und wir
waren rattendicht, und plötzlich kommen diese irischen Typen rein und reißen
uns die T-Shirts runter...«
    »O Gott,
wie grässlich!«, kreischte ich, buhlend um das feministische Votum.
    »Wir haben
uns bepisst vor Lachen«, fuhr sie fort. »Gott, noch nie in meinem Leben habe
ich so viel getrunken. Praktisch jede Nacht sind wir dann am Strand gelandet,
haben den Sonnenaufgang beobachtet und Wodka...«
    »Und
Korinth?«, japste ich kraftlos. »Minos?«
    »Was?«
    »Was?«,
sagte ich. Es klang wie ein verzweifeltes, röchelndes Flüstern.
    Dann
herrschte Stille. Ich schaute Laura an, schaute sie mir wirklich genau an - und
hatte plötzlich das Gefühl, als äße ich mit einem Abziehbild, einem billigen
Imitat, zu Abend. Ich fühlte mich wie der Mann, der einen Karton
mit echten Weltkriegsmemorabilia ersteigert, den Karton nach Hause trägt und
unter der ersten Schicht nichts weiter als geschreddertes Zeitungspapier
vorfindet.
    »Nun ja,
das ist alles sehr aufregend«, krächzte ich ausgelaugt. »Aber vielleicht
sollten wir jetzt doch damit anfangen, die Vasen und...«
    »Du hast
Recht«, sagte sie, schob ihren Stuhl zurück und zog ihren Personal Organizer
aus der Jacke. »Das war übrigens ganz bezaubernd. Eine wirklich gute Idee, das
Abendessen zum

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