Murray, Paul
ich jenseits der Weinberge von
der Veranda aus sehen konnte.
Es war
Sommeranfang, die Tage waren lang, und das ganze Tal strotzte vor Farbe und
Leben. Manchmal wurde es so heiß, dass ich zu ersticken glaubte; die Luft
fühlte sich an wie eine dicke Decke, die man mir um den Kopf geschlungen hatte,
und meine Muskeln schmerzten, als steckten sie im Schraubstock. Doch diese
Leidensphasen hielten nie lange an, und wenn die Hitze sich verflüchtigte, ging
ich in den Garten hinter dem Haus und spazierte zufrieden zwischen Bienen und
blühendem Hibiskus umher. In einem ätherisch duftenden Winkel wuchsen
Zitronenbäume. Yeats pflückte die Früchte und machte daraus Gimlets, die mit
nichts vergleichbar waren, was ich je getrunken hatte - so frisch, herb und
kalt, dass mir der Atem stockte, wie bei einem Sprung ins eisige Meer.
Die Tage
gingen friedlich und gleichförmig dahin. Ich hatte schließlich doch noch die
Arbeit an meiner Gene-Tierney-Monografie aufgenommen und verwandte darauf den
Großteil meiner Zeit. Üblicherweise stand ich am späten Vormittag auf und
setzte mich nach einem leichten Frühstück und einer Tasse Bergkaffee an den
Schreibtisch. Während Yeats seinen häuslichen Pflichten nachging, schrieb ich,
füllte ohne Pause Seite um Seite und labte mich an dem Gefühl, Gene so zum
Leben erwecken zu können. Ich spürte ihre Dankbarkeit und Erleichterung, dass
sie nach Dekaden des Geisterdaseins wieder atmen durfte.
Gegen
Abend schickte ich Yeats ins Tal, um aus der Bodega vom einheimischen Wein zu
holen. Ich selbst vergnügte mich mit einem Kreuzworträtsel, bis er - eine
spindeldürre Gestalt mit weißem Haarschopf - wieder den Feldweg heraufkam. Ich
half ihm bei der Zubereitung des Abendessens, und nach dem Essen saßen wir
zusammen auf der Veranda, unterhielten uns und beobachteten, wie die Nacht
hereinbrach. Die Sonnenuntergänge waren wie italienische Opern, sie zogen sich
glühend und gefühlsschwer über drei Stunden hin und hingen im Himmel wie
brennende Burgen. Yeats konnte bisweilen bärbeißig werden - wir schrieben die
Dreißiger, und er war nicht mehr der Jüngste -, aber er war ein exzellenter
Koch und gewissenhafter Wirtschafter, und wir hatten doch ziemlich viel
gemein. Zum einen hatten wir beide einen steinernen Turm im Park. Der von Yeats
in County Galway hieß Tboor Ballylee und war
ursprünglich von den Normannen erbaut worden, später aber verfallen. Wie ich
hatte auch er beträchtlichen Ärger mit den Bauarbeitern gehabt, die ihn wieder
hatten herstellen sollen.
»Hatten
die ein soziales Bewusstsein?«, fragte ich ihn. »Haben die auch dauernd
gestreikt?«
»Keine
Ahnung, ob die ein soziales Bewusstsein hatten«, sagte er. »Ich weiß nur, dass
es Leute aus dem Ort waren, die alle winzige, kränkliche Arme hatten, und
immer wenn ihnen nach einer Pause war, dann haben sie gesagt, sie müssten jetzt
gehen, damit ihre Ärmchen wieder zu Kräften kommen. Die Lieblingsausrede war
die Ernte, sie müssten die Ernte einbringen - im Januar, wohlgemerkt, oder
Mitte Juni. Die müssen mich für einen Volltrottel gehalten haben. Oder Mäuse,
alle behaupteten, sie hätten schreckliche Angst vor Mäusen. Der Vorarbeiter -
wie hieß der noch gleich? - Raferty, der hat dauernd endlos lange Briefe an
meine Frau geschrieben. >Liebe Mrs Yates, ich weiß, dass ich letztes Mal
gesagt habe, dass der Verputz bis Herbst drauf ist, aber es geht so furchtbar
langsam vorwärts wegen den Mäusen. Dauernd das Kratzen und Quieken, meine Leute
machen kein Auge zu die ganze Nacht. Ich hoffe, dass Mr Yates die Mausefallen
bestellt hat und dass die bald ankommen. Auch mit dem Dach geht's nur
schrecklich langsam vorwärts...«< Er seufzte. »Trotzdem, es war die Sache
wert. Schließlich braucht ein Mann seinen Turm im Park.«
»Ein
wahres Wort«, sagte ich und verspürte einen Stich Wehmut.
Mit der
modernen Welt, ihren seichten Umgangsformen und Schmeicheleien, gab er sich
kaum ab. Er glaubte nicht an Berufstätigkeit oder materiellen Erfolg. Er
sagte, dass er Arbeit immer gehasst habe; er war stolz darauf, nie erwerbstätig
gewesen zu sein, und behauptete, die Idee, für seinen Lebensunterhalt zu arbeiten,
sei eine Erfindung der Bolschewisten gewesen.
»Wie auch
immer«, sagte er. »So wie ich die Sache sehe, ist doch das Leben selbst Arbeit,
oder? Was ich sagen will: Wenn man schon die Anstrengungen und Mühen des Lebens
ertragen muss, dann sollte man die Zeit auch nutzen, die Sache richtig anzupacken
und mit
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