Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Murray, Paul

Murray, Paul

Titel: Murray, Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: An Evening of Long Goodbyes
Vom Netzwerk:
saßen auf harten Holzstühlen
neben dem Küchenherd.
    »Es war
sogar sehr einfach. Die Frau hatte ein Herz aus purem Bakelit, das hätten Sie
nicht mal mit einer Lötlampe schmelzen können. Und dann das ganze
Umschwärmte-Schönheit-Gewese ... Ich habe Fotos gesehen, so umwerfend war sie
nun auch wieder nicht.«
    »Oh,
Fotografien«, sagte er spöttelnd. »Was kann man auf denen schon sehen...« Dann
versagte ihm die Stimme. Eigentlich hatte er sich nie davon erholt. Und
eigentlich erinnerte sie mich ziemlich stark an Patsy. »Alles, was wir lernen,
lernen wir im Scheitern«, sagte er. »Und damit sind wir wieder bei den Masken,
Charles. Der Dichter findet sein wahres Ich in der Enttäuschung, in der Niederlage.
Auf diese Weise lernt er, der Welt gegenüberzutreten. All mein Streben
richtete sich auf Maud Gönne, sie war das transzendentale Ideal, an dem ich
scheiterte.«
    »Beim
Gipfelsturm gescheitert«, spöttelte ich - was nicht sonderlich gut ankam.
    »Sie war
eine bemerkenswerte Frau«, sagte er leise und betrachtete den Anhänger seiner
Taschenuhr. Vielleicht dachte er an gemeinsame glorreiche Tage, als sie das
Nationaltheater gegründet hatten, was schließlich zum Osteraufstand führte;
oder an den Tag, als sie einen Sarg durch Dublin gezerrt und dann in den Liffey
gekippt hatten, um gegen den Besuch des Königs zu protestieren.
    »Ich
verstehe nicht, warum Sie sie dauernd in Schutz nehmen«, sagte ich und schlug
gereizt nach einer Motte, die die Laterne umflatterte. »Das ist ja alles gut
und schön, dieses ganze Gerede über Masken und den Triumph des Scheiterns und
so was, Tatsache bleibt, dass sie Ihnen auf der Nase herumgetanzt ist, wann
immer sie wollte. Und als sie nicht mehr wollte, hat sie Sie fallen lassen. Sie
müssen sich vor solchen Mädchen in Acht nehmen, Yeats. Besonders vor
Schauspielerinnen, da betteln Sie ja geradezu um Ärger.«
    Er zog ein
Taschentuch aus der Brusttasche, breitete es auf seinem Schoß aus, legte es
sorgfältig wieder zusammen und steckte es zurück in die Tasche. »Wenn die Liebe
die Bühne ist, wird vielleicht jede Frau zur Schauspielerin«, sinnierte er vor
sich hin. Und bevor ich noch auseinander puzzeln konnte, was er damit meinte,
fragte er: »Und was ist mit der Schauspielerin, von der Sie so besessen sind?
Die mit dem Männernamen?«
    Meinte er
etwa Gene? Das war nun etwas ganz anderes. Sie mochte mit Prinzen ausgegangen,
mit Picasso getanzt und die verschwenderischen Hollywood-Partys der Vierziger
gefeiert haben, was mich an Gene faszinierte, war, dass sie eigentlich nur da
oben auf der Leinwand wirklich zu existieren schien. Egal, in welche Rolle man
sie steckte, wie bei einer Doppelbelichtung schimmerte bei jeder Szene immer
sie selbst durch, wie ein ängstliches Fabelwesen, das man zwischen
Scheinwerfern und Glas gefangen hielt.
    »Aha!«
Yeats lehnte sich auf dem Stuhl zurück und strahlte genüsslich, wie ein
Lehrer, dessen aufsässigem Schüler tölpelhafterweise eine Wahrheit
herausgerutscht war. »Sie lieben sie also, weil sie schlecht schauspielert!
Und Ihre Schwester, nehme ich an, die ist doch auch keine richtige Schauspielerin,
oder?«
    Ich
verstand nicht ganz, worauf er hinauswollte, und spürte, dass meine Wangen
erröteten. »Nun ja, das ist sie wirklich nicht«, sagte ich zurückhaltend. »Ich
weiß, dass sie glaubt, dass sie eine ist. Aber ich glaube, dass sie viel zu
sehr mit ihrem eigenen Leben beschäftigt ist, um es tatsächlich zu sein. Ich
meine, sie hat viel zu viel damit zu tun, mit Mutter zu streiten, mich mit
pompösen Vorträgen zu nerven oder mit irgendeiner Dumpfbacke herumzukarriolen.
Das ist ihre wahre Berufung, wenn Sie mich fragen. Allerdings hätte ich viel zu
viel Angst vor ihr, um ihr das auch zu sagen.«
    »Wissen
Sie was, Charles? Ich glaube, dass wir insgeheim die ganze Zeit einer Meinung
gewesen sind...« Dann erhob er sich und drückte heiser kichernd den Docht aus.
    An manchen
Abenden, wenn er nach dem Gespräch in tiefes Schweigen verfiel, wusste ich,
dass er über Maud brütete und darüber, was hätte sein können. Dann erinnerte
ich ihn an seinen Nobelpreis, was in der Regel ausreichte, um ihn wieder aufzumuntern.
Oder wir gingen zu den Windhunden auf die Rennbahn.
    Die Rennen
waren nichts im Vergleich zu denen, die ich mit Frank gesehen hatte. Die Bahn
war mit komplizierten Kreidelinien ausgezeichnet, an bestimmten Stellen rund um
den Kurs standen Flaggen, und die Hunde hatten schauerlich klingende,
okkultistische

Weitere Kostenlose Bücher