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Murray,Paul

Murray,Paul

Titel: Murray,Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Skippy stirbt (Teil 2)
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dich
anrufen, nur ein paar Meter von dir entfernt wohnen?«
    »Ach, du
bist doch bloß neidisch auf mein Spitzentechnologiehandy mit Kamera und
MPyPlayer.«
    »Mario,
wenn du nicht raffst, warum deine Eltern dir das Ding jetzt plötzlich schenken,
dann bist du noch unterbelichteter, als ich gedacht hab. Überleg doch mal: Die
lassen dich die ganzen Ferien im Internat, und dann schenken sie dir so ein
schäbiges Plastikteil, damit sie mit dir reden können, ohne dich von Angesicht
zu Angesicht sehen zu müssen. Deutlicher hätten sie >Wir lieben dich
nicht< auch nicht sagen können, wenn sie's in Himmelsschrift über die
Rugbyfelder geschrieben hätten.«
    »Da sieht
man, dass du keine Ahnung hast. Meine Eltern lieben mich!«
    »Warum
haben sie dich dann in den Ferien nicht nach Hause kommen lassen?«
    »Das haben
sie nicht näher erklärt, aber sie haben ausdrücklich gesagt, dass es nicht
deswegen ist, weil sie mich nicht lieben. Das weiß ich, weil ich sie genau das
gefragt hab.«
    »Was haben
sie denn gesagt? Dass es gut für die Charakterbildung ist?«
    Marios
Gesicht nimmt plötzlich einen gehetzten Ausdruck an.
    »Mach dir
nichts vor, Mario, wir sind doch nur deshalb hier, weil unsere Eltern sich
nicht mehr von ein paar stinkenden, gar nicht mehr süßen Jugendlichen nerven
lassen wollen.«
    Skippy
dreht sich um. »Würdet ihr >Hi!< oder >Hey!< sagen? Zu einem Mädchen?«
    »Ich würde
sagen: >Setz deinen Sturzhelm auf, heiße Braut, gleich erlebst du den Ritt
deines Lebens !<«
    »Ich würde
sagen: >Hör nicht auf meinen Freund, seine Eltern haben ihn als Baby auf den
Kopf fallen lassen, und zwar x-mal, weil sie ihn nicht lieben.<«
    Bei Ed's
wimmelt es von blondem Haar und St.-Brigid's-Schottenmuster, aber Lori ist
nicht da, und an dem Tisch, an dem sie neulich Abend gesessen haben, sitzen
jetzt zwei andere, die keine Ahnung von seiner Vergangenheit haben. Ganz hinten
aber finden sie, von Mathematikbüchern umgeben, Ruprecht.
    »Was hast
du bis jetzt?«, fragt er.
    »Hi«,
antwortet Skippy.
    »Hi«, wiederholt
Ruprecht nachdenklich.
    »Hi.«
    »Ein Haiku
war doch schön und auch mal was anderes«, sagt Geoff, mehr zu sich selbst.
»Lori, deine Augen ... deine großen grünen Augen ...«
    »Wie wär's
mit einem Rätsel?«, schlägt Ruprecht vor.
    »Ein
Rätsel?«
    »Ja, ein
Rätsel weckt immer Interesse. Irgendwas mit deinem Namen zum Beispiel. »Statt
>Ich bin's, Skippy< könntest du sagen: >Wer bin ich? Meinen Namen
trägt auch ein großes Tier, das ist vorn falsch geschrieben Barbies Freund und
hinten ein weiser Inder< So was in der Art.«
    »Was?«
    »Was zum
Geier soll das bedeuten?«
    »Ruprecht,
hast du überhaupt schon jemals eine Frau kennengelernt!«
    »Lorelei Wakebam«, platzt
Geoff heraus, »deine
traurigen Augen sind meine Sterne.«
    Alle
halten inne und starren Geoff an. »Das ist ein Haiku«, erklärt er.
    Ruprecht
spricht es leise nach:
     
    Lorelei
Wakeham
    Deine
traurigen Augen
    Sind meine
Sterne.
     
    »Siebzehn
Silben«, verkündet er.
    »Meine
Fresse, Geoff, das ist ja richtig schön.«
    »Ach, das
ist nur so eine Kleinigkeit, die ich mir ausgedacht hab«, wehrt Geoff ab.
    »Siehst
du, genau so was hab ich mit einem Knaller gemeint«, sagt Mario zu Skippy. »So
ein Haiku ist der Schnellzug nach Sexville.«
    »Ja, und
Geoff kann es bei deiner Beerdigung aufsagen, wenn Carl dich umgebracht hat«,
erklärt Dennis finster. Doch die berauschende Kombination aus japanischer
Dichtung und Schokoladendoughnuts fegt alle Bedenken beiseite, und bevor es sich
jemand anders überlegen kann, tippt Skippy schnell seine SMS ein.
     
    Seit der
Party benimmt sich Ruprecht komisch. Mario zufolge, der ja ebenfalls über die
Ferien im Internat geblieben ist, hält er sich die meiste Zeit in seinem Labor
auf, und seit die Schule wieder angefangen hat, sieht man ihn kaum noch.
Morgens und in der Mittagspause erscheint er nicht im Speisesaal, sondern
steuert direkt auf das Kellergeschoss zu, eilt mit aus seinen Taschen quellenden
Papieren und abwesender Miene schnaufend den Flur entlang. Im Unterricht hebt
er ständig die Hand und stellt verzwickte Fragen, bei denen kein Mensch
durchblickt, er hält Lurch Vorträge über den Riemannschen Raum, er
piesackt Mr. Farley mit der Planck-Energie und will - das ist das Verblüffendste
- in Religion von Pater Jonas wissen, ob Gott in allen Universen Gott sei oder
»nur in unserem Universum«.
    Appetitlosigkeit,
Schlaflosigkeit, Sprunghaftigkeit - wüsste man es nicht

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