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Muscheln für Mutti: Roman (German Edition)

Muscheln für Mutti: Roman (German Edition)

Titel: Muscheln für Mutti: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Dörr
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Romeo-&-Julia-Filmen und nicht aus einem Mittelklasse-Hotel irgendwo in Hanoi. Kaum hier, und schon hatte ich einen knalligen Auftritt, dabei will ich doch gar nicht im Rampenlicht stehen. Ich will … Oh Mann, kaum angekommen, würde ich am liebsten zurückfliegen! Aber nein, ich stecke zwischen meiner Familie und den Ferien-Freaks fest. Wenigstens die Reiseleiterin scheint normal zu sein, obwohl, als Frau wird sie auch ihre Macken haben.
    Und was habe ich nun von alldem? Einen geschwollenen Finger, zwei nervige Schwestern im Schlepptau, dreieinhalb Wochen an der Endhaltestelle der Welt. Und neongrüne Socken, in denen ich nun zur Dusche stapfe.
    Im Treppenhaus treffe ich einen Typen, der sich lässig die Sonnenbrille auf die Stirn rückt. Seine hellblauen Augen und die blonden, schulterlangen Haare signalisieren: Seht her, ich bin ein Surfer. Ja, exakt so wirkt er. Ich wusste gar nicht, dass man hier surfen kann. Na, vielleicht hat er sich im Reiseziel vertan.
    » Guten Morgen«, grüße ich, » wir sind in Vietnam.«
    » Ich weiß. Morgen, ich bin der Sven.«
    » Andi. Wo wolltest du denn hin?«
    » Weit weg.«
    Ja, das hat geklappt.
    » Hast du das draußen gerade gehört?«, fragt er.
    » Was denn?« Ich nehme zwei weitere Stufen.
    » Da hat einer gebrüllt, er wolle Frauen verhauen.«
    » Is nicht wahr!« Es gelingt mir, einigermaßen unbeteiligt zu gucken. Das ist anstrengend am frühen Morgen und noch ohne Kaffee intus. » Bist du sicher, das richtig verstanden zu haben? Ich meine … so hätte ich die Asiaten gar nicht eingeschätzt.«
    » Nee, war ’n Deutscher«, erwidert Sven, als wir den Frühstücksraum betreten. » Klang so, als wäre er wegen ’ner Frau genervt. Was ich nachempfinden kann.«
    Der Anblick von Marmelade und Käse und der Duft von Toast täuschen einen angenehmen Start in den Urlaub vor. Mutti erwartet mich bereits in bester Laune.
    » Du siehst schon wacher aus, wie geht es dir heute?«
    Will sie mich das jetzt jeden Morgen fragen?
    » Nun sag schon, mein Schatz, wie hast du geschlafen?«
    » Auf dem Rücken.«
    Danke der Nachfrage, meine miese Laune ist jetzt auch aufgestanden.
    » Ich habe Jetlag«, sage ich.
    » Kaum wird die Zeit umgestellt, tickt er nicht mehr richtig!« Ist gut, Kristin. Ein einfaches »Tag, Bruder« hätte es auch getan.
    » Nun lass ihn doch erst mal ankommen«, beschwichtigt Antje.
    Ohne meinen Zustand zu berücksichtigen, schildert Mutti ihre Impressionen, bevor ich mir selbst ein Bild machen kann. »Du, das ist ja alles so anders hier und so aufregend. Guck mal da, die bunten Blumengestecke.«
    » No Nong?«, fragt mich eine zierliche Vietnamesin.
    » No was?«, wundere ich mich. » Was ist verboten?«
    » Dein muffeliges Gesicht«, sagt Kristin.
    » No Nong?«, wiederholt die junge Frau schüchtern.
    Ich schaue sie nur fragend an.
    » Ob du ’n Kaffee willst«, übersetzt Antje.
    » Klar, einen großen Cappuccino.«
    » No Nong«, sagt die Vietnamesin eher zu sich selbst und greift nach einer Kanne.
    » No Nong heißt ›braun-heiß‹«, meldet sich einer vom Nebentisch.
    Harald. Strohhut, Schalenkoffer, Schlauberger. Den Typen kann ich mir leicht merken.
    Die Kellnerin gießt mir den Kaffee in eine Espressotasse, ins dampfende Tiefschwarz kippt sie einen Schuss klebrig-süße Kondensmilch hinterher.
    » Wie, das ist alles?« Ich drehe die Puppentasse zwischen den Fingern.
    » Das ist lecker!«, sagt Mutti begeistert und redet ohne Pause weiter. » Schau Andi, da drüben, das ist unsere Reiseleiterin. Jana. Sie scheint nett zu sein.«
    » Gut, das ist ja auch ihr Job«, stelle ich fest.
    Um besser einschätzen zu können, ob dieses seltsame Gebräu überhaupt lohnt, senke ich meinen Kopf tief über das Tässchen und schnuppere.
    » Korrekt, hier trinkt man seinen Kaffee durch die Nase«, veralbert mich Kristin.
    Etwas zu heftig wird die Tür aufgestoßen. Walter, einer der älteren Hamburger, betritt den Frühstücksraum so übertrieben männlich wie Clint Eastwood einen Westernsaloon.
    » Leute, als hätt ich ’ne Bank überfallen! Dabei war’s nur ein Bankautomat! Eine Million Dong hat der ausgespuckt – für nur 50 Euro!« Selbstgefällig nimmt er seine Vera in den Arm. » Frau, wir sind reich!«
    Jana steht auf und lacht. »Ein Glück, dass dein Reichtum nicht viel wiegt im Portemonnaie. Die Währung hier gibt’s nämlich nur in Scheinen.«
    Walter tänzelt durch den Raum. Das würde Clint Eastwood nicht tun. » Egal, ich fühle mich

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