Muscheln für Mutti: Roman (German Edition)
auf seine Frau.
» Jo, besser Pappnas als Fischkopp«, bemerke ich.
» Mechthild habe ich beim Frauenboxen kennen gelernt«, sagt Kurt beiläufig. » Sie hat den Hauptkampf gewonnen.«
» Ey, das sind ja nur kaputte Clowns hier. Und dafür hab ich mir die Beine rasiert«, raunt mir Kristin ins Ohr.
Freaks eben, wie ich’s mir gedacht habe. Ich sollte den Veranstalter anrufen und ihm eine Rückrufaktion dieser Reise nahelegen. Wegen fehlerhafter Teilnehmer.
Außerdem wäre ich dann selbst fein raus!
Kurt kratzt sich an der Kappe. » Jetzt wohne ich schon seit 43 Jahren in Hamburg. Mann, Mann, ich sag’s euch: Die Zeit fliegt! Klar, darum vergeht die auch so schnell. Besser wäre, die Zeit würde nur Auto fahren. Ach was sag ich: spazieren gehen!«
» Hör auf zu quatschen und stell deine Uhr um«, kontert seine Frau und bewegt eine Hand wie einen Scheibenwischer vor ihren Augen.
Richtig, die Zeitumstellung, was ein Gedöns. Obwohl, wenn die Uhr ihrer Zeit voraus ist, hat das den Vorteil, dass ich immer schon Stunden früher wissen werde, wie der 1. FC Köln gespielt hat. Quasi schon vor dem Anpfiff. Während wir an dieser Globushaltestelle erst mal blöd im Weg rumstehen, begrüßt uns eine junge Koreanerin. Mit einem überschwänglichen Lachen greift sie ungefragt nach meiner Hand und drückt feste zu.
» Aah!« Mein Finger! Ruckartig ziehe ich meine Hand zurück, wobei mein Ellenbogen gegen den Pfeiler hinter mir knallt. Autsch, mein Musikantenknochen! Erschrocken lasse ich meinen Unterarm nach oben schnellen, und mein Handballen klatscht gegen ihren Mund.
» Oioioi«, japst sie kurz und lächelt dann tapfer weiter.
Mutti geht einen Schritt nach vorn und scheint glücklich, das im Pfarrgemeinde-Kurs erlernte Englisch endlich anwenden zu können. » Hello, I’m Mutti and this is my family. We are four.«
Stolz deutet sie auf uns Geschwister.
» Yes, yes.« Die Koreanerin zählt mit. » Foul!«
Der erneute Check-in strapaziert mich. Ich habe keine Lust mehr auf Gürtel ausziehen und wieder reinfummeln, ertrage das freundliche Dauergrinsen der Security-Asiaten dennoch so gelassen wie möglich. Wir heben von Seoul ab und schweben fast fünf Stunden später über der Hauptstadt Vietnams. Es dämmert bereits, als ich hinabschaue. Mein erster Eindruck von Hanoi sind viele gelbe Lichtpunkte, aus der Höhe wirken sie wie Glühwürmchen.
Nach der Landung springt Kurt brummig auf und zerrt das Handgepäck seiner Frau aus drei Gepäckfächern.
Der Flughafen ist nicht groß, das Gepäckband wirft unsere Ferien-Fracht zügig aus. Als wir den Bus beladen, erweist sich Haralds Koffer als recht sperrig. Mit einem flotten Spruch will er darüber hinwegspielen, dass er keine handliche Reisetasche dabeihat. » Harte Schale, weicher Kern«, sagt er und stopft das Stück tiefer ins Fach, » passt zu mir!«
Kristin lacht sich schlapp, was Harald erfreut als Anerkennung deutet, als er sich ganz vorne hinsetzt.
» Hello, welcome, I’m Toni!« Der schmale Mann um die 30 strahlt unter seinen pechschwarzen Haaren. Die vietnamesische Regierung schreibt jeder Reisegruppe einen einheimischen Tourbegleiter vor, erklärt er, darum sei er im Bus. Der sozialistische Staat heißt uns also mit einem Spitzel willkommen. Ein Begrüßungs-Bier wäre mir lieber gewesen. Unser Guide heißt Toni? Naja, sein richtiger Name sei eigentlich Tráng, wie er uns erklärt. Toni könnten sich die europäischen Touristen allerdings besser merken – und aussprechen.
Der Bus verlässt den Parkplatz des Flughafens und brummt in die unbekannte Nacht.
» Hi Toni«, spreche ich ihn vorne im Bus an, » my name is Andi.«
» Andy like Dandy?«, grinst er und gibt mir die Hand.
» Nee, Andi like ›hat keinen Bock auf Frauen und will auch sonst nicht gestört werden‹.«
Toni lächelt verwirrt.
» Und darum«, sage ich auf Englisch, » brauche ich unbedingt ein Einzelzimmer.«
» Übrigens spreche ich auch ganz okay deutsch«, grinst Toni. Dann schaut er den Busgang entlang. » Oh, die Ladys sind nicht deine Freundinnen?«
» Nö. Schwestern und Mutti.«
» Nett!«
» Das darfst du sehen, wie du willst. Aber zurück zu meinem Einzelzimmer …«
» Oh, Einzelzimmer.« Er guckt in die Liste, die er in der Hand hält. » Nicht gebucht.«
» Ich weiß. Wenn’s mehr kostet, zahle ich das natürlich.«
» Preis ist kein Problem, Platz schon. Hotel ist voll mit Touristen.«
» Sind denn Touristen dabei, die man einfach vor die Tür setzen
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