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Muscheln für Mutti: Roman (German Edition)

Muscheln für Mutti: Roman (German Edition)

Titel: Muscheln für Mutti: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Dörr
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offenbar, damit die Tinte trocknen kann.
    Der Adressanhänger an unserem Handgepäck verrät, dass wir denselben Reiseveranstalter haben. Ausgerechnet dieser Quatschkopp gehört zu unserer Gruppe. Kristin grüßt für uns alle zurück. » Hi, Harald.« Kurzer Seitenblick zu uns. » Immerhin besser als Horst.«
    » Bitte?«
    » Schöner Koffer.«
    Kristin kann nicht nur triefend ironisch sein, sie weiß das auch auszuleben.
    » Danke, ja«, freut er sich über das Interesse, » das rote Band ist übrigens Absicht. Damit ich mein gutes Stück am Gepäckband auch wiederfinde.«
    » Aber dein Koffer ist … orange?!«
    » Ja, um als Tourist glaubwürdig zu sein.« Er steckt den Pass in seine Gürteltasche. Ich glaube, Harald ist ein echter Pedant.
    » Kinder, ihr sollt doch die Leute in Ruhe lassen.« Ja, Mutti. Und mich, den Andi, bitteschön auch!
    Im Flughafengebäude wirkt noch alles zivilisiert europäisch. Wir stehen erst einige Minuten unschlüssig vor einer Plastikstuhlreihe, als einige Deutsche auf unseren Treffpunkt zusteuern.
    » … so habe ich mir Südkorea gar nicht vorgestellt!«
    » Schatz, wir haben den Flughafen doch noch gar nicht verlassen.«
    Gut, dieses junge Pärchen zieht an uns vorüber. Dagegen bestätigt sich die Vermutung, die ich beim Lesen der Teilnehmerliste gehabt habe: Vornamen wie Mechthild, Kurt oder Walter passen zu Senioren. Was mir ganz egal ist, solange die hier nicht einen auf Bildungsurlaub machen. Von wegen Reiseführer raus, wir schlagen gleich mal die erste Seite auf und diskutieren die abgebildete Sehenswürdigkeit.
    Wenn das wenigstens die Piraten-Wildwasserbahn in einem Disneypark wäre, dann würde ich ja mitreden, aber … ach komm, das glaube ich doch jetzt nicht. Wer kommt denn da angetrabt: Goofy? Aber aufs Stichwort. Wie ulkig. Der Rentner hat zwar keine Schlappohren, auch trägt er keine Mütze – dafür ist er ebenso schlaksig groß und hat diesen leicht wippenden Gang, bei dem die langen Arme um den Körper herumschlingern. Die Frau neben ihm schiebt leichthändig den Gepäcktrolley, sie ist mittelgroß und drahtig. Die beiden schauen sich vergnügt an, dann bleiben sie vor uns stehen.
    » Wir sind Walter und Vera, und wir holen uns jetzt erst mal einen richtigen Kaffee.« Seine Haare sind schüttern grau, ihre rötlich gefärbt. Das Ehepaar stellt seine Taschen bei uns ab und schlendert zu einem asiatischen Coffee-Shop. Dabei wirken sie richtig verliebt, was schon bemerkenswert ist, da ich die beiden auf Mitte 60 schätze. Ihre Zuneigung füreinander ist also noch nicht abgelaufen.
    Wie schön für sie, aber müssen sie damit hier so rumprotzen? Ich hätte nicht übel Lust, Kim anzurufen und ihr vor den Latz zu knallen, dass sie es nur zwei Jahre mit mir … ach was, ich jaule doch jetzt hier nicht rum. Pah. Als wenn ich mich so krampfhaft an meiner Beziehung festklammern müsste wie ein Schiffbrüchiger an der Holzplanke.
    » Schon verstanden, du gehst nur mit ›Insektentod‹ in den Dschungel!«, dröhnt eine tiefe Männerstimme. » Weiber! Kennste meins, kennste alle!«
    Aha, eine interessante Ablenkung, die von links angelaufen kommt.
    » Da guck: Alle haben nur ein Stück Handgepäck. Nur du musst wieder drei Taschen dabeihaben, ausgebeult wie Einkaufstüten. Plus deinen Medizinschrank! Der Flieger hat doch keinen Anhänger!«
    Schweißperlen auf seiner Stirn verdeutlichen, dass der Mann mit der Kappe schwer zu schleppen hat.
    » Nehm ich etwa ein Fass Bier mit?!«
    » Hör auf zu jammern, Schlappschwanz, das trainiert dich. Bist ja bald über die 70 rüber!«, pampt seine Frau nicht gerade leiser zurück. Jünger ist sie auch nicht. Sie wirkt auffallend forsch. Die kurzen blonden Haare und ihre Khakihose passen zu ihrer burschikosen Art. » Moin Moin, ich bin der Kurt. Die da heißt Mechthild.«
    So ist das also: Rentner werden umso moderner und offener, je weiter weg sie verreisen. Auf Mechthild und Kurt scheint dies zuzutreffen, jedenfalls habe ich Rentner so noch nie miteinander reden gehört.
    » Wir sind Freunde von Vera und Walter, wohnen in Hamburg sogar in derselben Straße. Ich bin der Präsident in der Siedlung«, betont Kurt.
    » Der selbsternannte!«, schiebt Mechthild hinterher.
    Kein Zweifel, das entspricht seinem Selbstverständnis und seiner trockenen Art.
    » Alaaf, wir sind aus Köln«, grüße ich tonlos.
    » Ach? Da wollte ich nach meinem Studium eigentlich auch bleiben. Sie hat mich aber nicht gelassen«, sagt er vorwurfsvoll mit Blick

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