Muscheln für Mutti: Roman (German Edition)
Kinder spielen im Matsch. Rauch von Feuerstellen stemmt sich gegen das Grau von oben. Billardtische in den Wohnungen. Bizarres Mobiliar. Fernseher flackern. Farbkleckse im Dunst.
» Ihr müsst gutes Karma sammeln!« Toni macht wieder auf gute Laune und bemüht sich, uns den Buddhismus verständlich zu erläutern.
Wie soll ich das denn in meinem Zustand verstehen? Mein müdes Hirn kann kaum folgen, verarbeitet nur jedes dritte Wort. Ich meine, er kann doch bei den Tänzerinnen auch nicht länger geschlafen haben. Und überhaupt: Toni lehrt uns Karma – lebt aber Kamasutra! Was für ein raffiniertes Spiel, als Mann kann ich ihm da keinen Vorwurf machen.
Unterm Strich geht es beim Buddhismus vor allem um: Einsicht. Auch um die Einsicht, kein Bier zu trinken, kein Fleisch zu essen, keinen Sex zu haben. Was bleibt denn dann noch? Das sind doch eigentlich keine Einsichten, das sind ganz bescheidene Aussichten!
So ein Buddhist wäre nichts für meine Exfreundin, denn diese drei Sachen, die hat sie immer sehr genossen. Nachdem sie mich bei unserem ersten Date fast unter den Tisch getrunken hat, bekam ich noch Heißhunger auf Burger.
» Nee, Burger sind nichts für mich«, meinte Kim.
Das hat mich überrascht. » Oh, du bist Vegetarierin?«
» Quatsch! Wegen dem Salatblatt und der Gurken.«
Als wir anschließend genüsslich Currywurst kauten, hat sie mir ihren saucenverschmierten Zeigefinger auf die Brust gesetzt.
» Du bist doch kein Milchbubi?«
Auf meinen verdutzten Blick fügte sie hinzu: » Ich bin laktoseintolerant.«
Karma sammeln, vielleicht ist das tatsächlich die Idee für mich. Jede Handlung hat zwangsläufig Folgen, irgendwann. Nicht, dass ich an so einen spirituellen Kokolores glaube. Zumal man ja nie erfährt, wie viel man schon auf dem Konto hat und wann man damit aufhören kann. Ich habe mal Clownfiguren gesammelt. Die haben mir ’ne Menge Staub eingebracht, aber Glück? Davon weiß ich nichts.
Karma also.
Vier Stunden später rollen wir in Ninh Binh ein. Ins Touristische übersetzt, heißt das »Trockene Halong-Bucht«. Tatsächlich hat es aufgehört zu regnen.
» Ich muss aufpassen, dass ich mich noch im Bikini sehen lassen kann«, sagt Antje beim Blick in die Mittagskarte.
Kristin winkt ab. » Du bist so dünn, da lohnt kein Schatten.«
» Für mich die Nudelsuppe. Wie viel Kalorien hat wohl der halbe Liter?«, rätselt Antje vor sich hin.
» Die Hälfte«, rechnet Kristin.
» Ich will eben mein Gewicht halten.«
» Langweilig! Du kannst ja die unwichtigen Organe erbrechen.«
» Wie witzig.« Antje schaut zum Kellner hoch. »Haben Sie auch Kinderteller?« Der blickt recht verständnislos. Woher soll er auch wissen, dass Kinderteller für Antje ein komplettes Buffet darstellen?
Ich mische mich ein: » Antje, wenn du fülliger wirst, dann haben wir mehr von dir.«
» Blödmann!«, herrscht sie mich an.
» Was geht’s dich an?«, funkelt Kristin.
Ich wollte doch nur schlichten. Die sollen mal nicht so tun, als würde ich hier die Sippe versalzen.
Ninh Binh liegt an einem seichten Fluss, an dessen Ufern bizarre Felsformationen steil nach oben zacken. Es soll wohl so eine Art Touristenattraktion darstellen, an den Bergwänden vorbeigerudert zu werden. Na dann. Ich schlendere mit der Gruppe zur Anlegestelle. Beim Einstieg platziere ich mich so, dass ich wie zufällig mit Jana in einem der kleinen Holzboote landen müsste. Ja, ich sollte ihr ein paar entschuldigende Worte wegen gestern Nacht sagen. Karma! Das nächste Boot schwappt an den Steinsteg, ein alter Mann streckt die Hand aus, um den nächsten beiden reinzuhelfen.
Ich werde Jana einfach zum Einsteigen auffordern, wie zu einem Tanz. Charmant, das kann ich. Gerade als ich ein Lächeln aufsetze, und diesmal kein dämliches, wird meine Aufmerksamkeit jäh abgelenkt.
» Komm Andi, das nehmen wir!« Oh nein, Mutti, ausgerechnet. Was für ein Eigentorpedo. Dabei hat sie doch gesagt, ich solle mich um Jana kümmern. Aber Mutti ausladen, das geht ja nun auch nicht. Nein, das kommt nicht in Frage, schließlich ist sie mein Mutterschiff. Ihre Beiboote Antje und Kristin schwappen bereits 50 Meter voraus.
» Bitte einzusteigen, gnädige Frau …« Was, wer? Sven macht hinter mir einen auf Knigge.
» Oh, sehr gerne, der Herr.« Sieh an, Jana mag so ein bourgeoises Blabla.
Kaum auf dem Wasser, blüht der Surfer wieder auf. Nix mehr mit Flaute, mit toter Hose. Ganz im Gegenteil, er scheint bei Jana sein Segel setzen zu wollen.
» Andi,
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