Muscheln für Mutti: Roman (German Edition)
dem Gesöff wäre gut. Das zweite Fläschchen schlucke ich in einem Zug.
Die Asiatin vor mir scheint sich über irgendwas zu wundern. » Everything fine?«
» Well, können Sie sich bitte ausziehen?« Sie wundert sich weiter. Das Zeug wird mir doch nicht die Wirkung verweigern? Supersaft hin oder her, bei mir rührt sich nichts.
Ein peinliches Problem, das ich mitunter leider auch bei meiner Exfreundin hatte. Gleich in der Nacht unseres ersten Dates bin ich noch mit zu ihr gefahren, und im Schlafzimmer haben wir nicht lange gefackelt. Damals umso gemeiner: Ich habe den schiefen Turm von Pisa erwartet, aber nur seine Kellertreppe bekommen.
Vermutlich hat mir ihre handfeste Art zu viel Druck gemacht, hätte ich da mal eine blaue Pille gehabt!
» Andi, was geht?«
Stell dir vor, du trinkst Viagra – und dann kommen deine Schwestern vorbei. Reflexartig schiebe ich die leeren Flaschen von der Theke. » Danke, das ist nett, aber ich möchte keine Scheibe Fleischwurst«, sage ich schnell zur Verkäuferin.
» Schaut mal, dieser Flaschenzoo! Wie eklig ist das denn?« Antje ist ernsthaft angewidert.
Auch Kristin verzieht die Miene.
» Ja, ne. Wollte ich ihr auch gerade sagen«, betone ich und zwinkere der Asiatin zu.
» Das geht echt gar nicht!« Antje ist für ihre Verhältnisse ziemlich aufgebracht. » Den Scheiß soll man als Tourist sowieso nicht kaufen, weil die Einheimischen dafür sonst noch mehr Tiere sinnlos töten!«
» Ist das so?« Meine Frage ist ehrlich gemeint.
» Klar, das weiß doch jeder Dummkopf. Und wofür der Mist? Als wenn das Zeug wirken würde! Aber irgendwelche Touristentrottel, die drauf reinfallen, gibt’s ja immer.«
» Da machste nix, das ist echt ’ne andere Kultur hier.« Ich schüttle den Kopf.
» Leute, wir fahren weiter! Nach Halong!«, ruft Jana von draußen.
Als wir wieder in die Sonne gehen, lächelt uns die Verkäuferin nicht hinterher, sie lacht.
» Puuh … Aaah … Eieiei«, brabbelt sie laut.
» Was hat sie?«, fragt mich Kristin.
» Vielleicht ’n schlechtes Gewissen.«
Mopeds von Honda, Toyota oder Mitsubishi überholen uns. Wie die Lotsenboote eines Dampfers schlängeln sie sich am Bus entlang, kurven vors Heck, stoßen in jede sich bietende Lücke. Vier bis fünf Personen auf einem Moped sind durchaus üblich, wahlweise plus Möbel, Computer oder schlafendem Baby. Ich glaube, dass die mehr auf ein Zweirad packen können als wir in einen Kleinbus.
» Gut 300 Dollar kostet so ein Moped. Ist viel Geld für eine vietnamesische Familie«, erklärt Kurt.
» Woher weißt du das denn?«, erkundigt sich Mechthild skeptisch.
» Von meinem Friseur.«
Abwarten, ja, ich sollte mich in Geduld üben. Also bitte, ich trinke doch nicht zwei Potenzpullen, und dann passiert nichts. Was weiß Antje schon von Männermedizin. Meine neue Power kommt wohl langsam, dann aber bestimmt gewaltig.
Gegen Mittag erreichen wir den Hafen von Halong, der zweitgrößten Stadt im nördlichen Vietnam. Nur Hanoi hat noch mehr Fläche, weshalb man sich dort schon mal an den falschen See verlaufen kann.
» Denkt bitte daran, für die Übernachtung nur euren Rucksack mitzunehmen. Mehr Platz ist nicht an Bord«, doziert Jana charmant auf dem Busparkplatz. Dann spricht sie mich an. » Was wolltest du mir denn vorhin sagen?«
» Nix«, murmle ich und laufe weiter. Ich gebe mein frisch aufgetanktes Selbstbewusstsein doch nicht sofort wieder auf. Und entschuldigen muss ich mich erst recht nicht.
Über eine unbefestigte Planke steigen wir auf die »Anh Duong 18« um, einen der vielen baugleichen Holzkähne, die die Touristen in die Bucht hinausfahren. Unsere Kabinen sind kaum größer als Hundehütten, dafür mit Dusche und wuchtig dunklem Holz an der Decke.
Meine Befürchtung, es könne an Bord nicht genug zu essen geben, ist schnell vom Tisch und schlägt in Begeisterung um, als ich den fein aufgedeckten, leckeren Fisch-Lunch sehe. Auch Kurt schaut zufrieden drein. Unversehens fühle ich mich wie auf dem Traumschiff, als würde just die Eistorte mit den brennenden Kerzen hereingetragen. Urlaubstag, es ist wirklich ein Urlaubstag!
Aus Quatsch rufe ich quer durch den Raum: » Mutti, darf ich mir ein Bier bestellen?«
Niemand lacht, Mutti winkt milde ab.
» Für mich ’n doppelten Schlangenschnaps!« Harald will noch einen draufsetzen und sieht mich verschwörerisch an. Als wenn er mit der Wirkung umzugehen wüsste.
Zwischen grünem Wasser und blauem Himmel schippern wir in die Halong-Bucht.
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