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Muschelseide

Muschelseide

Titel: Muschelseide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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selbst kannte, besaß er doch die bestürzende Fähigkeit, meinen Körper so gut zu kennen wie seinen eigenen. Er wusste, dass ich nachdenklich und etwas verwirrt war, dass ich zu viele Fragen und Gedanken in mir trug, ihn aber sehr begehrte. Ich mochte Kazuos Hände sehr, sie waren nicht so wie die Hände der anderen Männer, sondern gelenkig und ruhig, mit seinen Händen konnte er alles machen. Während er mit ausdrucksvollen, ruhigen Augen in mein Gesicht blickte, die wechselnden Empfindungen in ihnen ablas, die seine Hände weckten, lockerte sich mein Körper, bog sich nach innen, als wollte er sich mit diesem anderen Körper, der nach mir rief, verbinden und verschmelzen. Er hatte die straffe, sehnige Gestalt eines ganz jungen Mannes, aber nicht mehr dessen Ungestüm. Und er war leidenschaftlich, aber sanft, fordernd, aber stets geduldig. Nie konnte Geist wirklich zu Geist, Seele wirklich zu Seele kommen; das Einzige, was Menschen wirklich teilen konnten, war Vertrauen. Dieses Empfinden, dieses tiefe, urtümliche Gefühl, machte, dass ich mich verlieren konnte, dass mein eigenes Leben mich verließ, um sich mit dem seinen zu verbinden. Bei allen anderen Männern zuvor war ich allein geblieben. Was ich bei ihnen gelernt und für viel gehalten hatte, wurde plötzlich zu nichts. Ich hatte wenig erkannt, kaum etwas verstanden, Impulse abgetan oder zur Seite gestoßen. Was ich bisher für Liebe gehalten hatte, war untergegangen unter Egoismus und Leichtsinn. Wahre Liebe fällt stumm wie ein Saatkorn in uns; erst, wenn sie zu keimen beginnt und wächst, spüren wir, wie sie größer und größer wird, und haben Angst, sie zu verlieren. Den ganzen Tag lang war die Hitze der Sonne in unsere Körper gedrungen, sie brach jetzt hervor, in langen, fiebrigen Wellen. Unser Atem vermischte sich, wir sagten kein Wort. Der Genuss kam, stieg unaufhörlich in uns hoch. Ich zog mich zusammen, ganz eng, um Kazuo in mir festzuhalten, ihn aufzusaugen, wie auch das Meer alles, was es begehrt, aufsaugt und in sich bewahren möchte. Sein Herz schlug in mir, in meinem Leib, sein Körper war weich und warm wie eine Decke. Er hielt mich in seinen Armen, zögerte sein Kommen bis ganz zuletzt hinaus, bis seine Erregung immer stärker in mir flackerte und er es nicht mehr aushielt. Ich wollte aufschreien, aber wie im Traum kam kein Laut aus meiner Kehle; Wärme umschloss mich und verschleierte mir die Augen. Nie war eine Umarmung für mich so berauschend gewesen, und ich konnte mich danach, zwischen Schlaf und Wachen, des Gedankens nicht erwehren, dass alles nur durch Cecilia gekommen war, weil sie es so wollte und es herbeigeführt hatte.
    Warum musste ich jetzt plötzlich so stark an sie denken? Mir schien, sie war stets irgendwo, verborgen, aber seltsam gegenwärtig. Sie war es, die behutsam und wissend unser Schicksal lenkte. Sie hatte lange im Stillen gewartet; jetzt mochte die Zeit günstig für sie sein. Sie erzählte ihre Geschichte, die ein Gefüge für sich war, erzählte sie ohne Worte; und es war eine Geschichte, auserlesen schön und schmerzvoll, vergänglich und voller Pracht, wie das kurze Leben der Schmetterlinge. Ihre ruhelose Seele verfolgte ein eigenes, uns noch unbekanntes Ziel, verflocht ihre und unsere Geschichte, mit jenem goldenen Faden vielleicht, den Nona Engelshaar nannte.
    Wir schliefen ein wenig, doch nicht lange. Schon brach die Dämmerung herein. Das rote Licht des Sonne verband sich mit die Luftspiegelung des Meeres. Die Hotelgäste kehrten in ihre Zimmer zurück, um sich für das Abendessen frisch zu machen. Ihre Schritte und Stimmen draußen im Gang weckten uns vollends. Im violetten Zwielicht blickten wir uns an und küssten uns, stumm und zart, ließen unsere Körper einander in ihrer ganzen Länge spüren. Und während wir in matter Entrückung still atmend dalagen, jetzt, nachdem die Leidenschaft verströmt war, hörte ich dicht an meinem Ohr Kazuos belegte Stimme.
    »Ich muss dir etwas sagen. Ich glaube, dass ich dich liebe.«

21. Kapitel
    D er Tag erwachte schillernd und kristallklar. Das Meer erglühte zauberhaft rosa, und zwischen den Tafelbergen breitete das Licht einen lila Fächer aus. Als wir auf der Terrasse frühstückten, warf die Morgensonne ihr leichtes Feuer auf Büsche und Bäume. Ein Gärtner stapfte über den Kies, besprengte die Bougainvilleen. Schon verströmten die Nelken ihren Pfeffergeruch. Es war, als ob das Sonnenlicht duftete. Als ich mein Rührei gegessen und zwei Tassen Kaffee

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